Mittwoch, 29. April 2009

Irrungen und Wirrungen — zur Paradoxie der "Film-Migranten"

In Resonanz auf die Echos der Veranstaltung "Ist der Dokumentarfilm noch zu retten? -- Digitale Herausforderungen seiner Archivierung" könnte man aus aus der Perspektive einer Ferndiagnose dieser Veranstaltung vermuten, daß die Debatte allenfalls der Erhaltung und dem Vertrieb von Dokumentarfilmen einen ernstzunehmenden Anstoß gab. Die Heilsversprechen der totalen Umstellung auf Digitalisate werden voraussichtlich in einem Debakel scheitern: weder exisitieren finanzielle Rahmenbedingungen zu deren Umsetzung noch Kapazitäten auf der Produktionsebene. Man steht fassunglos vor einer "technologische Offensive" der Greenhorns, die bisweilen in Deutschen Kinematheken als Quereinsteiger (in dem Sinne: erst Wenders, dann "wen wundert's") verantwortliche Posten als "Technischer Leiter" übernehmen (nach Einstellungsprofil der SDK: Kenntnisse in Medien- und IT-Technik - Kopierwerkswissen ist nicht erwähnt). Diese Offensive steht konträr zum Postulat der US-Archive, künftig nach den desaströsen Erfahrungen ausschließlicher Digitalisate nunmehr wieder auf Sicherheitspositiven und Farbauszügen des 35mm-Verfahrens zu sichern - übrigens auch für vollständig auf HD-Video gedrehte Filme).

Angeschoben wurden das Digitsat-Projekt einer Online-Library der Deutschen Kinemathek u.a. vom Verwaltungsleiter der SDK (Jurist, aber kaum Filmfachmann), der darin möglicherweise neue Vertriebsarten, Vernetzungen und Umsätze für das Haus erhofft. Nun wäre einer Demokratisierung in der Verfügbarkeit von Medien, dezidiert auch Filmen, etwas Positives abzugewinnen, um den Torturen der Filmkopienrecherche, Speditionen und Abnutzungserscheinungen zu entfliehen, wie es der Leiter des Münchner Filmmuseums in einem Report in "Recherche Film & Fernsehen" verlangte. Zurecht wird dem gegenüber jedoch auch von einer "Amazonisierung des Filmarchivwesens" gewarnt, die fatale Folgen einer sozialen Desintegration heraufbeschwören könnte, sprich: der häusliche Konsum von Computerspielen eben so wie von Museumsgütern (die eigentlich in Museen angeschaut werden sollten),wird um ein weiteres die theatralen Kulturen aus ihrem Sinnzusammenhang herausreißen und fragmentarisieren.

Jedoch hat der Defätismus der Kinematheken aktuelle gravierende Umbrüche der Branche zur Voraussetzung: der Forderung der US-Archive nach 35mm-Schwarzweiss-Sicherung ließe sich mittlerweile in eben so geringem Maße entsprechen wie die erhoffte Digitalisierung der filmischen Archive. Wenn zum Auftakt der letztjährigen Tagung des Verbandes der Kommunalen Kinos der Leiter des Filmarchivs der SDK das Motto in der Raum warf "Filme müssen digitalisiert werden. Wenn sie nicht digitalisiert werden, gibt es bald gar keine Filme mehr" sowie "es wird ja schon bald kein Filmmaterial geliefert", so fußt diese Brandrede tatsächlich auf dem Defizit der filmstock-produzierenden Industrie, in ausreichendem Kontingent Kopiermaterialien und Printer bereitzuhalten. Eine Lösung aber "weg vom Film" und hin zum Digisat leuchtet eben so wenig ein und scheint auf einem Mangel an Brancheneinblick zu beruhen.

Höchst problematisch ist seit Jahren bereits, daß die Kopierwerke nicht mehr zur einer einwandfreien Schwarzweiß-Negativentwicklung imstande sind. ARRI München jedenfalls hat seine s/w-Negativentwicklung zwischenzeitlich wieder abgebaut, und die zur adäquaten Umkopierung erforderlichen Printer mit Schmitzer-Naßkopierung werden derzeit überall demontiert - für die zeitgemäße Film-Produktion reicht allemal eine Abtastung, nachdem schon der klassische Negativschnitt fast zur Gänze abgeschafft worden ist. Und daran werden die - gegenüber den europäischen Restaurations- und Archivleuten der Kinematheken professioneller agierenden - US-Archive sicher noch zu kauen haben.

Sollte aber von Steurgeldern und auf Geheiß filmtechnischer Laien, die sich in den Kinematheken durch "neue Projektanstösse" zu profilieren versuchen, eine Entscheidung zur ausschließlichen Digitalisierung fallen, kann schon jetzt gesagt werden, daß diese Bemühungen im Sande verlaufen dürften, dabei massiv finanzielle Ressourcen vergeuden und mangels Effizienz das Archivgut mehr schädigen könnten als sie zu sichern.

Es sei daran erinnert, daß allein die Vorbereitung älterer Negative zur Umkopierung resp. Abtastung extensive manuelle Prüfungen Ausbesserungen voraussetzt, für die weder ein Etat veranschlagt ist, noch in einigen Jahren, sobald die analoge Sicherung über den Jordan geworfen wurde und auch kein fachspezfisches Personal mehr zur Verfügung steht, ein Faß ohne Boden darstellt. Außerdem beweisen die Scans älterer Negative seit Jahren Defizite in der Güte und im Anspruch an den historischen Look, was wiederum von den wenigsten angeprangert, wenn denn überhaupt bemerkt wurde. Schließlich wurde seitens der deutschen Kinematheken auch selten ein Kontakt zu Filmfachleuten aufegbaut, die aus dem Schatz ihrer Seherfahrungen unschätzbare Dienste in der Rekonstruktion filmischer Originale hätte leisten können.

Wer daher wie einige Museumssleiter, die zumeist kunstheoretischen oder literarischen Studiengängen enstprangen, glaubt, Filmrollen bräuchten nur auf den Abtaster gelegt zu werden, braucht sich dann nicht über Filmschäden ohne Ende zu wundern, von denen die Materialien in all den Jahrzehnten zuvor noch verschont geblieben sind. Dann sollte man sie doch gleich im Bunker belassen...

Als Quintessenz und diametral zu den Heilsversprechen u.a. vom Potsdamer Platz in Berlin wäre zu fordern, daß eher die Ausweitung der Archivkapazitäten des Bundesarchivs, und zwar auch für ausländische sowie synchronisierte Filme und Kinokopien jedweder Art unter den dortigen Bedingungen der optimal gekühlten oder vereisten Filmbunker auf Jahrzehnte (oder Jahrhunderte) die erhoffte Konservierung und Authentizität sichern hilft, als halbgare Mirgrations-Hypothesen einiger Karrieristen und Profiteure, bei denen film- und produktionstechnische Erfahrungen offenbar zu wünschen übrig lassen.

Das Bundesarchiv wäre vom Teufel geritten, einem nicht durchführbaren Projekt der - ohnehin als Substandard anzusehenden - 2k-Digitalisierung hunterttausender Filme einen Etat zu opfern, der besser doch der Erweiterung der Sammlungsthemen, des gerade erst brandneu eingerichteten Filmkopierwerks und der filmbezogenen Lagerflächen zugute kommen könnte.

CINERAMA
Vorstandmitglied des Kinomuseum Berlin e.V.

Dienstag, 28. April 2009

Filmarchive in der digitalen Herausforderung
Tagungsbericht aus Stuttgart

von Joachim Polzer

Am 22. und 23. April fand im Stuttgarter Bildungszentrum Rotebühlplatz die Tagung "Ist der Dokumentarfilm noch zu retten? -- Digitale Herausforderungen seiner Archivierung" statt, die vom in Stuttgart ansässigen und SWR-nahen 'Haus des Dokumentarfilms' veranstaltet und unter wissenschaftlicher Leitung von Dr. Kay Hoffmann konzipiert wurde.

Dieser sehr informativen und durchaus kontrovers geführten Veranstaltung lag die Prämisse zugrunde, wonach Digitalisierung und Digitale Kultur die Film- und Fernseharchive vor grundsätzliche und gänzlich neue Herausforderungen stellt: Sollen die Archive in erster Linie bewahren und langfristig für die Zukunft sichern? Welche Rolle spielt dabei die digitale Technik? -- Oder sollen die Archive die Filme bedingt durch die neuen technischen Möglichkeiten und Optionen vor allem wieder und neu zugänglich machen? Wie sollen die Archive des Weiteren mit der Vielzahl von sich ständig ablösenden und noch schneller obsolet werdenden Speicherstandards, Speichermedien und Aufzeichnungs-Codecs umgehen?

Im Rahmen einer ersten Bestandsaufnahme brachte es Michael Loebenstein aus Wien gleich knackig auf den Punkt: Zur Digitalisierung können Archive sich nur stellen, wenn sie eine klare Vorstellung davon haben, mit welcher Art von Kulturgut sie umgehen. Handelt es sich also bei den in Archiven eingelagerten Archivalien also um Film als Archivgut im Sinne des Langzeiterhalts? Oder sehen die Archive ihre Bestände eher als eine Art Konsumgut an und steigen bei dieser Haltung mit ihren Beständen ins Geschäft der Stock Footage Sales Agenturen einschließlich dem dazu gehörigen Rechtehandel ein? Oder sehen die Archivmanager ihre eingelagerten Filmwerke eher als ein Gemeingut an, welches als Dienst an der Kultur möglichst frei und offen zugänglich gemacht und gehalten werden sollte.

Michael Loebenstein warnt hierbei vor einer "Amazonisierung des filmischen Erbes" und einer modischen Strategie des "Alles Online", was letztlich nur dazu führt, dass der selbige Content ständig in neuer Aufmachung kanonisiert wird. Loebenstein, der nach Erfahrungen beim Österreichischen Filmmuseum nunmehr beim Wiener Ludig Boltzmann Institut als Kurator und Filmhistoriker arbeitet und durch die englischsprachige Buchpublikation "Film Curatorship. Archives, Museum and the Digital Marketplace" bekannt geworden ist, rät dringend zu einem Bekenntnis zur Lücke und zum Fragmentarischen bei der Filmarchiv-Arbeit des Suchens und Findens: Eine zu starke Vermarktungslogik widerspricht für ihn dem konservatorischen Ethos.

Karin Kühn, Referatsleiterin für Dokumentarfilm beim Bundesarchiv/Filmarchiv gab einen Überblick über die Bestände und Einlagerungsmodalitäten beim BA/FA, wonach dort rund 150.000 Filmwerke bis jetzt eingelagert sind, davon alleine 120.000 Werke im Bereich der Dokumentarischen und der Wochenschau. Dies führt zu einem Gesamtbestand von rund 1.000.000 Filmrollen und neuerdings auch 7.000 digitalen Trägern. Der Bestand wächst dort um rund 500 Filmwerke bei 12.000 Filmrollen jährlich. An digitalen Trägern akzeptiert das BA/FA die Videoformat-Standards Digital Betacam, IMX und HDCAM SR. Um eine mittelfristige Abspielmöglichkeit zu sichern, werden keine digitalen Gebinde auf Festplatten akzeptiert. Allerdings wird von einem Langzeiterhalt bzw. bei einer Langzeitarchivierung nach wie vor nur bei photochemischem Filmmaterial ausgegangen, wobei aus Kostengründen von digital eingelagerten Videoformaten kein "Sicherheitspaket" auf Filmmaterial erzeugt wird. Die derzeitigen digitalen Restaurationsprojekte, die bislang beim BA/FA durch Outsourcing eingekauft werden, dienen der Erfahrungsammlung in den entsprechenden Abteilungen; der Aufbau eigener digitalen Abteilungen ist in Vorbereitung. Allerdings hat man den Eindruck, dass sich das BA/FA mit der nötigen reflektiven Distanz zur gegenwärtigen digitalen Aufgeregtheit verhält, einfach auch, um nicht irgendwelchem Modetrends mit Sackgasse zu folgen, sondern Entscheidungen überlegt zu treffen.

Gegenüber diesen beiden eher konservativen Einstellungen ging Daniel Meiller als 'Technischer Leiter der Filmabteilung' bei der "Stiftung Deutsche Kinemathek/Museum für Film und Fernsehen" (SDK) eher in die technologische Offensive, wenn er vom einem Paradigmenwechsel für das Archivwesen durch die Digitalisierung spricht. Wenn Meiller nun also die grundsätzliche Digitalisierung der Archive einfordert, dann sind zwar noch Lippenbekenntnisse eines Bestandschutzes der weiteren Pflege analoger Bestände von Fimoriginalen und -kopien zu hören, man gewinnt aber schnell den Eindruck, dass sich Loebensteins Klassifizierung von Archivgut im Hause der SDK eher in Richtung 'Konsumgut' bereits verlagert hat. Meiller begründet seine Forderung einer Digitalisierung bei den Filmarchiven mit drei grundlegenden Neuerungen: nämlich neuen digitalen Produktionszusammenhängen, neuen Distributionswegen und neuen Zugangsmöglichkeiten. Im Zuge einer Bestandssicherung des Bisherigen ist man nach Meiller im Hause SDK dabei, analoge Bestände auf Filmträger sukzessive zu digitalisieren, wobei man hier wiederum den Eindruck gewinnt, dass die Umstellung auf digitale Medienträger für die Vermietvorgänge von Archivalien nach Außen der eigentliche Motor ist und sich Fragen der digitalen Archivierung erst als eine Art Nebenschauplatz stellen: die Frage der Archivierung der Digisate bzw. Digitalisate steht damit hinter der Primat der Verwertungslogik an. Des Weiteren bereitet sich die SDK auf die Aufnahme und Einlagerung von Werken in digitaler Form vor. Wie sehr die SDK von Loebensteins Forderung, einer "Amazonisierung des Filmarchivwesens" zu widerstehen, entfernt ist, zeigt die dritte Säule der Digitalisierungsprojekte im Hause SDK, wenn eine Online-Präsentation der digitalisierten Archivbestände angestrebt ist. Hierauf stellt sich natürlich die Frage, wem die SDK hier eigentlich Konkurrenz machen möchte, wenn ein Archivhybrid als Filmvertrieb sich mit einer Vermarktungsplattform online stellen möchte.

Wichtig bleibt hier zunächst festzuhalten, dass zumindest bei den auf dieser Tagung präsentierten Vorträgen seitens der SDK anscheinend nicht mehr von einem Langzeiterhalt auf Filmträger bzw. dessen als Primat ausgegangen wird, geschweige denn dafür gesorgt werden soll, digitale Einlagerungen für einen Langzeiterhalt auf Filmträger umzuspielen. Wenn dem faktisch nicht so sein sollte, dann wurden bei dieser Tagung die falschen Delegierten seitens der SDK entsandt bzw. die falschen Themen priorisiert. Schließlich war sich Karl Griep als Leiter des Bundesarchiv/Filmarchivs auch nicht zu schade, den weiten Weg nach Stuttgart auf sich zu nehmen.

Daniel Meiller als Technischer Leiter der Filmabteilung der Berliner SDK ging aber noch weiter, wenn er prognostizierte, dass das Prinzip der Selektion, einst das konstitutierende Element des Archivwesens, auch im Filmarchivbereich durch die Digitalisierung in Frage gestellt wird.

Insgesamt führt die digitale Herausforderung für das Archivwesen im Bewegtbildbereich nach Meiller zum Berufsprofil eines "Digitalen Super-Archivars", denn dieser muß zwei gegenläufige Trajekte beherrschen: Einerseits muß eine authentische Repräsentation von historischen und analogen Bild-, Ton- und Farbverfahren einschließlich ihres Farbraums, ihrer Farbcharakterisik bzw. monochromen Modulationsverhalten nach der digitalen Quantifizierung gewährleistet sein. Der "Digitale Super-Archivar" muß also statt weniger nunmehr ein Mehr an Verständnis für die analoge Filmtechnikgeschichte aufbringen können inklusive einem Verständnis längst obsoleter Filmtechniken. Andererseits müssen von diesem Digitalen Super-Archivar die obsoleten und analogen Video-, Ton- und Filmformate kontinuierlich durch ständig neue digitale Formate und Standards repräsentiert werden, was ein ständiges "Am-Ball-Bleiben" in Sachen Codecs, Kompressionsformate, Samplingstandards, Container-Normen, IT-Betriebsysteme, Speichertechnolgien und Daten-Netzwerktechnik etc. erfordert. Es ist nach Meiller sehr gut möglich, dass ein solches Anforderungsprofil nur durch einen Verbund an Spezialisten zu leisten sein wird, was aber wiederum einer projektbezogen arbeitenden Outsource-Mentalität zuarbeitet, statt dass dieses Know-How in Form eines Kompetenzzentrums im eigenen Hause angereichert wird.

Der vierte Teilnehmer der Tagungs-Eröffnungsrunde, Dokumentarfilmer Thorsten Jess, zeigte sich zunächst etwas amüsiert über diesen grundlegenden Paradigmenwechsel im Hause der SDK, wenn aus einem "Erwählungsarchiv", bei der bislang einzelne Filmkünstler durch kuratorische Auserwählung die Ehre einer Adelung zur Filmkunst erfuhren, nunmehr ein Art von Archiv geworden sein soll, das seinen Input gar nicht mehr zu selektieren im Stande sein soll. Jess stellte die berechtigte Forderung nach einer Honorarbeteiligung an Online-Verwertungsketten auch bei Archiven in den Fordergrund und beklagte das Normenchaos und die Kurzlebigkeit der digitalen Medienträger. Als besonders verwerflich brandmarkte Jess die immer mehr um sich greifende Unart des optischen "Watermarking", bei dem Archive auf Kosten von Kompilationswerken durch Branding mehr als einen Herkunftsnachweis einfordern. Kompilationsfilme, die auf Archivmaterialien angewiesen sind, werden auf diese Weise zur Dauerwerbesendung für die materialgebenden Archive und ästhetisch zu Weihnachtsbäumen mit in jeder Ecke abwechselnd leuchtenden Wunderkerzen. Anscheinend stecken auch bei den betroffenen Archiven die Überlegungen zum signalmodulierten und damit optisch versteckten Watermarking noch in den Kinderschuhen.

In der zweiten Veranstaltungsrunde der Tagung kam es zu einer Diskussion zum Thema "Zwischen Bewahren und Vermarkten" zwischen Karl Griep, dem Leiter des Filmarchivs im Bundesarchiv, Dr. Tankred Howe, dem neuen Geschäftsführer der Deutschen Wochenschau GmbH und Thomas Frickel, dem Vorsitzenden der AG DOK. Dabei war zunächst festzustellen, dass die Anzahl der an der Tagung teilnehmenden Dokumentarfilmer zu wünschen übrig ließ. Einerseits arbeiten die Dokumentarfilmer in ihrem Selbstverständnis natürlich für die Ewigkeit, andererseits aber, wenn es darauf ankommt, sich wie bei dieser Tagung Gedanken darüber zu machen, wie sehr Fragen der Archivierung im Zeitalter der Digitalisierung bereits ins Produktionsgeschäft Einfluss nehmen, durch überwiegende Abwesenheit zu glänzen. Die Konfliktlinie zwischen den Filmproduzenten und den Archivaren hat der Moderator und Geschäftsführer des HDF, Wilhelm Reschl, am besten auf den Punkt gebracht: "Filmemacher möchten ihre Filme möglichst teuer verkaufen und Klammermaterial möglichst billig oder umsonst einkaufen." Natürlich war in dieser Diskussionsrunde seitens der AG DOK wieder zu hören, dass der deutsche Staat über Bundesarchiv und lizensierender Transit-Film mit Naziwochenschauen Geld verdient. Cay Wesnigk von der AG DOK hatte dies einmal so formuliert: "Raubgold aus dem Filmarchiv." Natürlich müssen auch Filmarchive wirtschaften. Der durchschnitttliche Minutenpreis für Nutzungsrechte an Klammermaterial aus Archiven wurde von Frickel auf 800 bis 1.200 EURO beziffert. Karl Griep bezifferte den Finanzbedarf für eine Gesamtdigitalisierung der Bestände des BA/FA auf rund 50 Millionen EURO und ist für Vorschläge zur Drittmittelförderung eines solchen Projektes offen. Eine Gesamtdigitalisierung der Bestände des BA/FA würde zu einer wesentlichen Erleichterung und Beschleunigung bei Recherchen in der Nutzbarmachung der Bestände führen, zumal auch die schichtweise gewachsenen Findsysteme aus rund 70 Jahren damit vereinheitlicht werden könnten. Streitpunkt der Diskussionsrunde war im Übrigen das neue Archivgesetz für Deutschland, dass die Pflichtabgaben auch im Filmbereich für nicht-geförderte Filmwerke regelt. Frickel forderte eine Kostenübernahme für die Pflichtabgabe, gerade dann, wenn die Wahl des Ablieferungs-Formats nicht freigestellt wird.

Glanzpunkt dieser Diskussionsrunde war ein Betrag von Gerhild Krebs vom "Filmarchiv für das Saarland", das als Archiv und eingetragener Verein mit einem Bestand von derzeit 1.000 Filmrollen seit Jahren um eine öffentliche Anerkennung als Filmarchiv kämpft. Das Saarland hat durch seine wechselvolle Geschichte zwischen Frankreich und dem deutschen Kulturraum besondere Priorität bei der filmkuratorischen Erhaltung von Bewegtbilddokumenten, zumal ja auch der einst bekannteste Dachdeckermeister Deutschlands stets sprachlich gerade eben aus dem Saarland gekommen schien.

Der Versuch, in den Zirkel des deutschen Kinemathekenverbundes aufgenommen zu werden, wurde von Hans-Helmut Prinzler seitens der Berliner SDK seinerzeit mit dem Argument abgelehnt, dass das "Filmarchiv für das Saarland" als "e.V." angeblich keine öffentliche Institution sei. Der Double Bind liegt nun darin begründet, dass das "Filmarchiv für das Saarland" keine Förderungen für den Ausbau zu einem anerkannten und "richtigen Filmarchiv" deshalb bekommen kann, weil es eben nicht offiziell als Filmarchiv anerkannt ist. Dies führt nach den Darstellungen von Gerhild Krebs nun zu einer grotesken Umkehrung der Arbeitsprioritäten bei aufkommenden Neuarchiven gerade mit regional-inhaltlichem Bezug. Statt im Arbeitsablauf die Reihenfolge "Archivieren -- Erschließen -- Digitalisieren -- Aufführen/Zeigen/Verwerten" einzuhalten, muß der Not der Lage gehorchend beim "Filmarchiv für das Saarland" nunmehr in der Reihenfolge "Aufführen/Zeigen/Verwerten -- Digitalisieren -- Erschließen -- Archivieren" gearbeitet werden. Mir scheint aus diesem Fall zweierlei ableitbar: erstens sollte man den deutschen Kinemathekenverbund grundsätzlich nach seiner Legitimität befragen, zweitens sollten die betroffenen Regional- und Sonderarchive im Bewegtbildbereich die Gründung eines Gegenverbandes, auch auf europäischer und internationaler Ebene, eruieren. Mir scheinen diese Schlussfolgerungen auch im Zuge der Gründungsüberlegungen zum Aufbau einer eigenen Sammlung für den Verein des neuen Kinomuseum Berlin sinnvoll zu sein.

Catherine Lacken vom Fernseharchiv des SWR und Joachim Seyther als Projektmanager der NDR-Mediathek trugen in einer weiteren Vortragsrunde die Strategien der Fernseharchive vor, wie sich der Spagat zwischen analoger Vergangenheit und digitaler Zukunft aus Sicht der Ö-R Fernsehanstalten darstellt. Catherine Lacken wagte dabei einen Husarenritt einer kursorischen Betrachtung von mehr als 55 Jahren technischer Fernsehgeschichte und machte dabei insbesondere auf die Gefahr aufmerksam, dass der Zugang zu Inhalten dann problematisch wird, wenn Abspielgeräte entweder nicht mehr vorhanden sind und zugleich das technische Know-How verschwindet, obsolete Technikstandards in Form von funktionierenden Geräten am Leben zu erhalten. Insgesamt war festzuhalten, dass aus archivarischer Sicht die betrieblichen Lebenszyklen bei digitalen Formaten erheblich kürzer anzusetzen sind und der ständige technische Wandel zu ständig neuen Berufsprofilen führt, denen nur mit einem "training on the job" begegnet werden könne. Catherine Lacken sieht im analogen Fernseharchivar ebenfalls ein Auslaufmodell und beklagt die aus archivarischer Sicht hohen Kosten der Formatintegration. Die Formatobsoleszenz bedeutet im Übrigen auch den schrittweisen Informationslust bei Kopiergenerationen, auch dann, wenn analoge Kopiervorgänge etwa durch digitale abgelöst werden, bleibt das neue Problem der digitalen Re-Encodierung mit Artefaktgefahr im Zuge der technischen Weiterentwicklung von Codecs und Algorhythmen. Abschließend verwies Catherine Lacken mit hübschem irischen Akzent auf das Problem der Systemsicherheit digitaler Massenspeicher-Systeme, gerade unter den Gesichtspunkten Havarie, Back-Ups und Fall-Backs.


Am zweiten Tagungstag standen sowohl die neue digitale Produktionstechnik und ihre archivarischen Auswirkungen wie auch die inzwischen zahlreichen Onlineprojekte von Filmarchiven im Mittelpunkt.

Zunächst gab der Dokumentarfilmer und -produzent Wolfgang Richter einen Praxisbericht zur neuen Welt des bandlosen Produzierens im Dokumentarfilmbereich und verwies dabei im geschichtlichen Extrembeispiel auf den Unterschied zwischen einem früheren Filmdokumentaristen, der mit einer ARRI IIC im 35-mm-Format, 3 Fixbrennweiten auf dem Revolver, schwerem Akku und 60-Meter-Kassetten mit zwei Minuten Laufzeit maximal pro Kassettenbestückung losgezogen war und heutigen, bandlosen Produktionsmitteln, bei denen man von einem "Dreh"-Verhältnis nunmehr genau so wenig mehr reden kann, wie auch bei Flash-Recordern im Audiobereich von einem Mit-"Schnitt". Diese neue bandlose und nicht mehr linear arbeitende Technik verändert das Arbeitshandwerk und damit auch die Inhalte. Als Beispiele für eine neue Konvergenz von Standbildfotografie und Kinematographie wurden von Richter sowohl HD-Aufzeichnungen einer CANON 5D MARK mit einer 24x36mm großen Sensorfläche vorgeführt, wie auch das künftige Produktportfolio aus dem Hause RED Cameras bis hin zur RED 617 bei 28.000 Pixeln Horizontalauflösung mit Bewegtbildoption. Aktuelle Neuankündigungen von der NAB 2009, die gerade in Las Vegas abgehalten wurde, wurden von Richter in seinen Vortrag bereits mit einbezogen, etwa der neue AVC-ULTRA-Codec von Panasonic, der erstmals auch 1080/50p mittels AVC Intraframe verarbeiten kann, wie auch jene Ankündigung von ARRI München, eine ARRI-16-SR-Adaption künftig mit 2K-"Kassette" digital anflanschen zu können. Konkrete Praxiserfahrungen berichtete Richter beim Einsatz eines P2-Workflows auf Maschinen von Panasonic.

Eine Vorstellung des Projektes "24 Stunden Berlin" des Regisseurs Volker Heise und des dabei angewandten bandlosen Workflows folgte im Anschluß durch Tobias Büchner von der zero one Filmproduktion aus Berlin: 400 Teammitglieder, 80 Kameras und 70 Regisseure produzierten am 5. September 2008 700 Stunden Rohmaterial in HD-Auflösung (1080 x 1920), das derzeit zu 24 Stunden TV-Programm montiert wird, um am 5. September 2009 via RBB und arte (sowie weiteren internationalen TV-Stationen) gesendet zu werden. Mit einer gesegneten Portion geschichtlichen Sendungsbewusstseins ist man bei diesem 1.440-minütigen Mammutprojekt am Werke. So ist es kein Wunder, dass die Berliner SDK als "Museum für Film und Fernsehen" dieses Fernsehereignis archivarisch betreuen möchte. Eine entsprechende Bemühung für eine Projektfinanzierung ist derzeit auf dem Weg. Jürger Keiper als für das Projekt zuständiger Projektleiter seitens der SDK referierte daher über das digitale Filmarchiv als ein Archiv neuen Typs, bei dem man von der Nachträglichkeit des Archivs gegenüber der vorangehenden und bereits abgeschlossenen Produktion wegkommen möchte und als gleichwertiger Produktionspartner gerne Ernst genommen werden möchte. Mit projektbezogenen Outsource-Bemühungen möchte man weg von "Inhouse Assets" im klassischen Sinne, sondern bedient sich auslagernder Dienstleister wie "Storage Providern". Aus dem Archivar der alten Schule wird ein "Risikomanager" ausgelagerter Inhalte, für den das Risikomanagement an die Stelle der Sicherung von auf Medienträger eingelagerten Beständen treten soll. Sobald Archivare also mit masselosen Digitalisaten umzugehen haben, verschwindet, wie man beim Beispiel "24 Stunden Berlin" ebenfalls sehr deutlich sehen kann, rapide das Bewusstsein für die materielle Dimension von Medienträgern. Elegant wie einst bei der New Economy wird argumentiert, dass ein professionelles, externes Datenzentrum dafür garantieren soll, dass der Langzeiterhalt der ausgelagerten Daten gesichert sei, wenigstens solange die Rechnungen aus dem zeitlich in seiner Laufzeit begrenzten Projektetat dort bezahlt werden. Selbst mit der Information, dass im Datenzentrum ein Magnetbandroboter den bandlosen Workflow spätestens ein Ende bereitet, möchte man nichts mehr zu tun haben, das sei einem egal, schließlich steht die bisherige Reputation des Datenzentrums bei der Datensicherheit auch aus dem Bankbereich dafür ein, gerade dann, wenn der Roboter selbsttätig erkennen könne, wann ein Band durch Verschleiß auszuwechseln sei. Wohl dem der in der Wirtschaftskrise darauf vertraut, dass sowohl das Internet nicht crasht, die letzten Magnetbandhersteller weiterhin Fresh Tape liefern können werden und bei einem Ausfall des globalen Zahlungsverkehrs durch die Einstellung von Rohöllieferungen es nicht zu Stromabschaltungen kommen wird. Da ist mir -- wenn es schon um externe Auslagerungen geht -- der Salzstock bei Freiburg einfach lieber und der lagert bekanntlich Mikrofilme ein. Ich hätte mir bei der Tagung gewünscht, dass auch Querdenker präsent gewesen wären, die für eine analoge Rückbelichtung digitaler Daten auf Mikrofilm plädiert hätten, verbunden mit der Fragestellung, ob die Erweiterung einer digitalen Ausbelichtung digitaler Daten (einschließlich Mischsystemen) auf Mikrofilm Fortschritte bringt. Dies hätte zumindest den entscheidenden Vorteil, dass keine weitere Energie in Form von Geräten und Betriebsspannung vorgehalten oder zugeführt werden muss und basiert damit auf Jahrtausende alter menschlicher Erfahrung, dass das Finden von Lesbarem jedes Bestreben von "Archivierung" locker um Jahrhunderte überdauert.

So erschienen aber bei der Tagung Outsourcing und serielle Akkumulierung von Projektfinanzierungen als alternativlose Lösung für das AV-Archiv der Zukunft. Und diese Selbstsicherheit halte ich für äußert trügerisch.

Die bislang ungelöste Medienträgerfrage für den Erhalt von digitalen Daten wird so, für einen Filmwissenschaftler eigentlich unwürdig, im öffentlichen Diskurs komplett verdrängt: "Es ist mir egal, auf was das Datenzentrum als externer Dienstleister speichert. Das Datenzentrum steht für die Sicherheit des Datenerhalts und des Datenzugriffs ein." Mit dieser Scheinsicherheit wird aber das grundsätzliche Problem des Langzeiterhalts als Problem der Haltbarkeit von digitalen Medienträgern nur mit quasi-schicken Projekten fürs Berichtsheft und des vorzulegenden Jahresbericht vertagt. So werden zwar ständig Konferenzen über "Langzeitarchivierung" und "Langzeitsicherung" im Filmarchivbereich abgehalten, letztlich werden aber in der überwiegenden Mehrzahl Projekte mit einer Laufzeit von 2 bis 5 Jahren finanziert, die zwar für 2 bis 10 Jahre Datenstorage mit evt. Webpräsenz extern einkaufen können, auf dass dann aber hoffentlich bald ein neues und mit öffentlichen Mitteln gefördertes Online-Einzelprojekt vom Grundproblem ablenken möge.

Hier liegt ein grundlegendes Systemproblem begründet, das dringend abgestellt werden sollte.

Etwas eleganter als mit einzelnen "Pfauenprojekten" täuscht über dieses Systemproblem einzelner, zeitlich beschränkter Projektfinanzierungen (conta Nachhaltigkeit) das filmportal.de des Deutschen Filminstituts in Frankfurt am Main (DIF) hinweg, wie man durch den Vortrag der Projektleiter David Kleingers und Georg Eckes erfahren konnte.

Beim filmportal.de geht es um eine möglichst vollständige, öffentlich publizierte deutsche Nationalfilmographie, die dort erhalten, gepflegt, ausgebaut und online zugänglich gehalten werden soll. filmportal.de als bio-filmographische Datenbank besitzt derzeit rund 70.000 Filmeinträge und Informationen zu etwa 145.000 deutschen Filmschaffenden einschließlich -- und das ist ein behauptetes Alleinstellungsmerkmal -- der Kostümbildner. Als Traffic wurden 30.000 Nutzer pro Tag referiert, was sich seit der Online-Stellung zu 12 Millionen Besuchern insgesamt addiert. Tiefeninformationen wie Inhaltsangaben und aktuelle Specials ergänzen das Angebot der Website.

Wortreich wird von den Referenten darauf verwiesen, dass die Datenbank auch gepflegt und weiterentwickelt werde und es entstand beim Zuhörer der Eindruck, dass es sich hier um eine komplette Datenbank-Selbstentwicklung in Eigenregie handelt. Das machte mich als Mitgründer der "Internet Movie Database Ltd. London" etwas stutzig, da ich aus meinem Insiderwissen mir zutraue, abschätzen zu können, was eine komplette Selbstentwicklung von eigener Datenbanksoftware in etwa bedeutet. So wurde mir auf Nachfrage schließlich zugegeben, dass hier eine ursprüngliche MySQL Applikation durch Zukauf von Außen auf eine proprietäre und kommerzielle ORACLE Datenbanklösung aufgrund der Traffic-Nachfrage umgestrickt wurde, die man lieber künftig auf PostgreSQL zu konvertieren gedenkt. Obwohl meine aktive Zeit bei der imdb.com inzwischen lange zurück liegt, schätze ich es bei Projektvorstellungen von Filmdatenbanken außerdem nicht sonderlich, wenn mit einem Stakkato von Superlativen verkäuferisch über Kulturprojekte referiert wird, wie man sicherlich nachvollziehen kann.

Im Zuge des Auslaufens öffentlicher Förderungen für das filmportal.de Projekt wurde nun zunächst der dort teilweise verdeckt gehaltene Datenstamm in das europäische MIDAS-Projekt überführt, um nunmehr rebrandet bei filmarchives-online.eu auch den Standort und die Spezifizierung des Medienträgerstandortes auszuweisen, der bei filmportal.de nicht-öffentlich geblieben war und ist. Bei filmarchivesonline.eu geht es um einen Verbundkatalog europäischer Filmbestände von insgesamt 17 Filmarchiven, die für 25.700 Filmtitel insgesamt 45.000 Filmkopien im 35-mm-Format bereitstellen können. filmarchivesonline.eu soll als eine Art Online-Vorabrecherche die eigentliche Archivrecherche vor Ort erleichtern. Was nicht explizit gesagt wurde, dürfte der Umstand sein, dass die Weiterpflege von filmportal.de als Datengrundlage für die anderen Aufbaumodule durch die nächstfolgenden Projektfinanzierungen gesichert werden dürfte. Manche böse Zungen sprechen hier von einem "Schneeball-System". Bevor man allerdings dabei an einen Herrn Madoff denkt, kann man dieses Modell natürlich auch als klevere Variante bezeichnen, die subversiv gegen einen Systemfehler anarbeitet.

Dritte Stufe der modulhaften Projektfinanzierung für das federführende DIF stellt das europeanfilmgateway.eu dar, das von 2008 bis 2011 mit insgesamt 4,5 Millionen Euro Förderetat bei 20 Partnern aus 14 Ländern im Sommer 2010 online starten soll. In einer für eine europäische Medienförderung typischen Weise soll das EFG die Aggregatorfunktion für die europeana.eu Onlinemediathek übernehmen, so wie das EU-geförderte EUScreen-Programm für den archivarischen Fernsehbereich.

Als Beispiel für die vielen "Webseiten-Leichen" jener einst von der EU mit Projektgeldern geförderten Medienprojekte im konversatorischen Bereich darf hier collate.de herhalten; was aus EU-TAPE wird, darf auch die Zukunft erst zeigen. Es kommen ständig neue dazu. Die Frage, ob auch lost-films.eu einmal in diese Kategorie fallen wird, verneinte Jürgen Keiper von der federführenden SDK in Berlin.Bei lost-films.eu geht es um die Listung, Identifizierung und Fragmentzuordnung verloren geglaubter Werke der Filmgeschichte. Nach dem Ende der Projektfinanzierung -- so Keiper -- will die SDK diese Datensammlung als Teil ihres institutionellen Projekteportfolios aufnehmen. Allerdings ist auch hier bemerkenswert, dass ein solches Fachprojekt von Insiderforschern nur zu gerne auf "Community" verweist und dabei als Erfolgsmeldung von geopgrahisch weit entlegenden Einträgen ins Webformular berichtet, während man von einigen anderen deutschen Kinematheken hört, die nicht verstehen wollen, dass die Berliner SDK für das Setup von lost-films.eu Mittel akquirieren konnte, während die mühsame Arbeit des Einpflegens von Forschungsständen anderer deutscher Kinematheken als Volontärsarbeit abgetan wird.

Das ähnliche Schicksal einer verweisten Website ereilte auch das Projekt wochenschau-archiv.de, welches nunmehr vom Bundesarchiv gehostet wird. Dr. Tankred Howe berichtete in einem Vortrag über die Gründe des Ausstiegs der Deutschen Wochenschau GmbH als einer der drei Rechtevermarkter im Wochenschau-Bereich und ursprünglicher Mitträger des Webprojektes: Nur dann, wenn AV-Inhalte technisch auf dem Stand der Zeit und des Erwartungshorizonts der Nutzer gehalten wird und die Leichtigkeit beim Zugang sowie die technische Verlässlichkeit der Website im Betrieb gewährleistet ist, haben solche Medienprojekte einen Nachhaltigkeitsfaktor. 56kilobit-Videos als Auflösungs-Limit für die Nutzung ohne manuell zuvor freigeschaltete Registrierung operiert heute jenseits dieser Limits. Ein technisches Upgrade wäre diesem Projekt sehr zu wünschen.

Den Vogel bei dieser Tagung abgeschossen haben Jörg Friess und Jan Henselder vom Deutschen Historischen Museum in Berlin, die für ihre im Aufbau befindliche Sammlung von Filmkopien aus dem Bestand der "Marshall-Plan-Filme" eine Auswahl von rund 50 Kurzfilmen mit einem Projektetat von 2.000 EURO digitalisiert und in einer QCIF-Auflösung als flash-movies mit CMS-Bordmitteln auf der Website des DHM unter dhm.de/filmarchiv online gestellt haben. Man benötigt also nicht immer sechs- und siebenstellige Etats, um sinnvolle Dinge als Filmkurator bewegen zu können.

Die Stuttgarter Tagung ging zuende mit einem Vortrag von Andreas Vogel vom Babelsberger CINEarchiv-Projekt, das mir bei genauerer Betrachtung eher als VKF-Plattform bei der derzeitigen Claim-Absteckung seitens der IT-Industrie im Hause der Archivbesitzer von massenhaft zu digitaliserenden Archivalien des Bewegtbildbereichs erscheint. Wie ein roter Faden zog sich ein jüngst gehaltener Grundsatzvortrag von Peter Paul Schneider, dem Leiter des Deutschen Rundfunkarchivs, durch die einzelnen Vorträge und Präsentationen, den man gerne in der gedruckten Dokumentation der Tagung möglichst in ganzer Länge und nicht nur als Kondensat von neun Thesen nachlesen möchte.

Inhaltich war diese Tagung vom Stuttgarter "Haus des Dokumentarfilms" ein voller Erfolg. Es bleibt zu hoffen, dass die aktiven Produzenten nicht nur im Dokumentarfilmbereich sich bald auch in größerer Zahl um ihren "Ewigkeitsfaktor" Gedanken machen werden, denn hier ist derzeit, wie man bei dieser Tagung erleben konnte, viel im Fluss, wenn etwa ganz grundsätzliche und tradierte Archivethiken komplett über Bord geworfen werden. Das Thema der Auswirkungen der digitalen Kultur auf den Archivbereich bleibt virulent, nicht zuletzt durch den Zusammensturz des Kölner Stadtarchivs, das viel weniger in den Vorträgen eine Rolle spielte, als ich es mir gehofft hatte. So blieb die Frage der Redundanz bei Bestandsorten und in Bestandseinheiten in der Angelegenheit zu bewahrender AV-Inhalte als entscheidender Vorteil digitaler Strategien bei dieser Fachtagung zu "unterbelichtet", wenn mir so ein antiquierter Begriff aus der analogen Filmzeit hier noch gestattet ist.

ATRIUM
Korrespondentenbericht aus Stuttgart

Montag, 27. April 2009

70mm-Festival "Bigger than life" startet in Mailand

Das bereits 5. Festival des 70mm-Film in 2009 erreicht im Mai besonders spektakulär in Mailand einen einstweiligen Höhepunkt. Die Berlinale hatte im Februar mit dem Motto "Bigger than life" die diesjährigen Mammutfestivals begonnen (und das Motto "bigger than life" von 70mm-Festivals des 'National Film Theatre' in London übernommen). Im März folgte das Deutsche Filmmuseum in Frankfurt am Main und bemühte sich trotz geringeren Etats um eine technisch authentischere Projektion, aber auch um aktuelle redaktionalle Beiträge und Essays zum 70mm-Film, die man in Berlin weitgehend vermißte.
Ende April hebt aber auch zum zweiten Male Kopenhagen ab und präsentiert in Dänemark Sternstunden des Breitfilms im historisch nahezu original erhaltenen Roadshow-Theater 'Imperial Bio'. Anfang Mai folgt das jährliche 70mm-Festival der American Cinematheque in Los Angeles, veranstaltet im 'Egyptian Theater' und im 'Aero Theatre' in Santa Monica. Kinomuseum Berlin e.V. bringt ab dem 5. Mai einige 70mm-Filme, die bereits in Frankfurt liefen, um ein weiteres nach Mailand und ersetzt dort Beiträge der Foxfilm, deren Garantiekosten nach dem Berlinale-Publikumszuspruch aus lizenzrechtlichen Gründen in unsagbare Höhen gestiegen waren. Die Fondatione Cineteca Italiana Milano zeigt ihr Festival einerseits im museumseigenen Kino in Spacio Oberdan (ein neoklassizistischer Kinobau, der aus der Retro-Look-Epoche der Mussolini-Ära stammen könnte) sowie im Großmultiplex 'Arcadia' vor den Toren Mailands in Melzo, das mit 30 x 15 Metern über die größte Breitleinwand der Erde verfügt (das Format 2 : 1 war einst für die Projektion von 7omm-Filmen auf 8-Perf.-Material bestimmt, dem sog. System Iwerks 8-70, aber auch Iwerks Sphere). Der riesige Saal verfügt über ein 3-teiliges Parkett, Amphitheater-Auframpungen und 5 diskrete Frontkanäle - im weiteren über die Projektionsformate 35mm, 70mm-Todd-AO, 70mm 8-Perf und 2k DLP-Digital sowie das THX-Sound-System. Ein Vorhang fehlt leider, entspricht aber den in Italien etablierten Ansprüchen und Bedürfnissen. Die Sitzplatzkapazität in Mailand dürfte die aller bisherigen Festivals übersteigen, was auf eine hoffentlich akeptable Auslastung hoffen läßt.

URL http://www.multiplexarcadia.com/mostraEvento.do

CINERAMA
Korrespondentenbericht aus Mailand

"The Conversation" with Francis Ford Coppola

Die San Francisco Film Society (www.sffs.org) kündigt für den 1. Mai eine Veranstaltung an, an der man nur zu gerne teilnehmen möchte:

FOUNDER'S DIRECTING AWARD:
FRANCIS FORD COPPOLA; SCREENING OF THE RAIN PEOPLE
Friday, May 1


On May 1, Francis Ford Coppola will be honored onstage at the Castro Theatre with the Founder's Directing Award.
The event will take the form of a free-ranging onstage conversation between Coppola and his longtime colleagues and collaborators George Lucas, Walter Murch, Carroll Ballard and Matthew Robbins. Following the conversation, an extended audience Q&A, and the trailer from Coppola's upcoming film Tetro, there will be a screening of a custom-built 15-minute clip reel featuring on-set footage of Coppola over several decades. The evening will culminate in a screening of Coppola's 1969 classic The Rain People, which was the first American Zoetrope production 40 years ago.
Tickets are available now here or by calling 925-866-9559 (9:00 am - 5:00 pm, Mon-Fri).


ATRIUM

"Museum für Fernmeldetechnik" in Stuttgart

Besonders charmant und eindrucksvoll war der Tag der offenen Tür des Stuttgarter "Museums für Fernmeldetechnik" als Teil des Bahn Sozial-Werks BSW am 25. April. Bereits seit den 1960er-Jahren haben Fernmeldeabteilungen der Deutschen Bundesbahn beim technischen Genrationswechsel auf Transistortechnik und später Elektronik mindestens ein Belegexemplar der als veraltet geltenden Technik eingelagert. Aus diesem Bestand wurde das Stuttgarter "Museum für Fernmeldetechnik" am 26. April 1995 als ehrenamtliches Projekt und Verein aus der Taufe gehoben; anläßlich des herannahenden Gründungs-Jahrestages wurden im S-Bahnhof Schwabstraße die Türen ganz weit aufgemacht: bei einem gigantischen Kuchenbuffet der Volontäre wurden Führungen durch die Sammlung und Ausstellungsräume angeboten.

Die Sammlung beginnt technisch um 1900 mit Morstetechnik, Fernsprechern und Messgeräten und konzentriert sich vor allem auf bahnspezifische Anlagetechnik wie Läutewerke, Telefonvermittlungsanlagen, Bahnnetztechnik aus der analogen Zeit, Fernschreib-, Freileitungs- und Kabeltechnik, auf Uhren und Meldeanlagen, Lautsprecher, Bürotechnik, Funk- und Radartechnik, Messtechnik, Fahrkartenautomaten aus fast allen Zeiten und Fahrgastinformationsanlagen. Eine umfangreiche Bibliothek ergänzt das Informationsangebot inhaltlich; am Rande finden sich auch Artefakte der Film-, Video- und Magnetbandzeit. Einzel- und Gruppenführungen können über die Vereinsmitglieder Peter Krusch und Peter Berger (Tel. 0711.36 61 60 oder 07154.55 86) gebucht werden; Haupteinsatztag des Museums in jeweils der Dienstag. Eine Webpräsenz ist zwar im Aufbau aber noch nicht im Netz online verfügbar. Auf der Suche nach Technikmuseen ist dieses Kleinod besonders besuchens- und sehenswert, zumal die Bestsände des ehemaligen Fernmeldemuseums Nürnberg 2005 mit übernommen wurden. Meine Empfehlung: allemal einen Besuch wert.

ATRIUM
Korrespondentenbericht aus Stuttgart

Samstag, 25. April 2009

Die Zukunft der Filmfestivals

Als Festivalmacher des Globians Doc Fest Berlin hat mir der Themenschwerpunkt "Die Zukunft der Filmfestivals" mit Debatten einer Reihe von Festivalmachern in Ausgabe #54 // 02.2009 des Filmmagazins "Der Schnitt" vom 15. April sehr gefallen und mich zur gedanklichen Auseinandersetzung mit den dort versammelten Thesen von elf Festivalmachern angeregt. Insbesondere Adam Pughs Forderung nach einem "Zurück zum menschlichen Maßstab" in Fragen der Festivalskalierung fand ich sehr nachvollziehbar, verbunden mit einer von ihm, als dem Kurator des Aurora Festivals von Norwich UK, geforderten Fürsprecherfunktion für Werke und Filmemacher, durchgeführt in kleinen und flexiblen Unternehmungs-Entitäten, um "temporäre Gemeinschaften" hervorzubringen.

Obwohl ich Lars Henrik Gass als Kurator der Kurzfilmtage Oberhausen und seinen Thesen im Vielem nicht zustimmen mag, insbesondere seinem Ruf nach noch erweiterter öffentlicher Umverteilung bei mittlerweile zu groß geratenen Festivalentitäten, kann ich seine Auffassung aber dahingehend nachvollziehen, wenn er schreibt: "Das Kino wird nur als Museum überleben können, als ein Museum aber, wie wir es noch nicht kennen" und zwar als "ein Ort mit technischen, sozialen und kulturellen Sonderbedingungen". Darüber hinaus sollen in Gass' Lesart Filmfestivals zu einer markengestützten Produktgruppe sich erweitern: "Filmfestivals müssen lernen, die Beschränkung auf Ort und Zeit zu überwinden; sie müssen Bücher und DVDs machen, Partys und Konferenzen, sie müssen das bessere Fernsehen sein und die bessere Universität."

Einerseits also weg vom Markt und hin Marke, andererseits aber im Modus Operandi der Festivaldurchführung das menschliche Maß fest im Blick zu behalten, wenn es um die Bildung eines Forums und von Netzwerken in den Zwischenstufen zwischen Publikum und Filmemachern geht.

"Der Schnitt" beweist mit diesem Themenspezial, dass er neben dem schweizer "Film-Bulletin" als zweite gewichtige Stimme der Filmpublizistik auf dem Gebiet der Filmperiodika im deutschsprachigen Raum bestehen kann.

ATRIUM

Freitag, 24. April 2009

Ken Annakin und Jack Cardiff, beide 94, gestorben

Die Nachrufe zum Tod von Ken Annakin und Jack Cardiff in der NYT, beide sind im Alter von 94 Jahren gestorben, ähnlich zeitnah wie Antonioni und Bergman in 2007. Der Theaterhistoriker Stefan Brecht, Sohn von Bertolt Brecht, ist 84-jährig verstorben; der Nachruf auf ihn ebenfalls in der NYT.

ATRIUM

Dienstag, 21. April 2009

Subventionen eines flügellahmen Roll-outs?

Ein zukunftseuphorischer Feuilleton-Artikel, diesmal von André Weikard im "Tagesspiegel" vom 17.4.2009 verfaßt, sinniert wieder einmal über eine "Nachrüstung" in der Film- und Kinotechnik, die diesmal aber eine fundamentale Umrüstung beschreibt: den sog. "Roll-out" digitaler Projektion, die das arteigene, bisherige Filmbandformat auf 3,5 cm breitem Transparentfilm ersetzt. "Roll-out" ist übrigens ein Begriff der Kriegsführung aus dem Zweiten Weltkrieg, obgleich erst Mitte der 1980er-Jahre im Zuge einer Nach-Nachrüstung schon einmal die Rede von "zutodegerüstet" war und das Ende einer alten Supermacht im Osten umschrieb, die sich dem Turbo-Kapitalismus verschlossen hatte. Eine "Globalisierung" der neuen Märkte und Digitalitäten (Multimedia-Manien und virtuelle Realitäten unendlichen Konsums) der verbleibenden Supermacht konnte sich hernach ohne Gegenentwehr verbreiten.

Schließlich wurden die "Marken" des Home Entertainment (Motto: "Kino war gestern") so stark, dass eine Reihe an Marketingstrategien und Produktzyklen der Home Cinema Technologie eine solche Rasanz erfuhr, dass die Theaterwirtschaft kaum noch Schritt mit ihr halten konnte und im Lancieren immer neuer Digitaltonverfahren schon als "Testlabor" für die lukrativere Heimkinogeschäfte umgemodelt wurde, wie etwa der Filmhistoriker John Belton anmerke.

Das neue Wunderwerk der DLP-Spiegeltechnik in der Marktdurchdringung von HDTV-Beamer-Wiedergabe (aber auch die neuen HD-"Kinokameras" seit Anfang dieses Jahrhunderts) können kaum mehr als eine ureigene Entwicklung der Filmindustrie, d.h. zur Etablierung arteigener und exklusiver Kinoformate angesehen werden, sondern als Vorposten des Home Cinemas und der Broadcast-Verwerter. Sodenn die DLP-Technologie bereits als Spin-off-Entwicklung der Strategic Defense Initiative der seinerzeit vorrüstenden US-Regierung der 1980er-Jahre gelten mußte, erschrickt jetzt das Ausmaß der Unterwerfung des Kinomarktes unter die Gesetzlichkeiten der materialosen Informationsübertragung nach Broadcast-Standards (welche geringfügig vom Interessenverband der Hersteller zur sog. DCI-Norm für die Kinowirtschaft modifiziert wurde, um das HDTV-Bild durch höhere Bitraten auch auf grösseren Leinwänden ohne die berüchtigten "Artefakte" übertragen zu können). Wie immer die Zukunft des Kinos nun aussehen mag — von dem einem Traum darf man getrost Abschied nehmen: von einer Vorreiterrolle der Kinos im Mahlstrom der Multimedia-Schwemme. Und das böse Wort des amerikanischen Kinofilmvorführers Paul Raython vom "Trojanischen Pferd", das mit dem Roll-out Einzug in die Kinos gehalten habe, ist es durchaus wert, aus der Interessenperspektive der einst dominanten Unterhaltungsform des 20. Jahrhunderts aus, d.h. der der kommerziellen Lichtspielhauskulturen, untersucht zu werden.

Zurück zur Subventionspolitik Berlins, in der der "Tagespiegel" eine Errettung der Kinos vor dem Abwandern des digitalen Contents in andere Vertriebskanäle zu sehen glaubt: Hier überbieten sich SPD und CDU derzeit gegenseitig, den darbenden und notleidenden Kinos eine digitale Spritze als Verjüngungskur zu verpassen, um deren "Wettbewerbsfähigkeit" zu sichern.

Vergessen ist, dass erst gestern noch durch die Bezirksregierungen ein gegenseitiges Überbieten in der Verhökerung hochwertiger Standorte an Kinokonzerne und Multiplexbetriebe stattgefunden hatte, denen fast ausnahmslos Bau- und Betriebsgenehmigungen erteilt wurden, gleichwohl schon Anfang der 1990er-Jahre klar war, dass sich mit der Verdopplung der Sitzplatzkapazitäten bis zur Jahrtausendwende auch ein Rückgang der Auslastung verbinden ließe. Insbesondere die Teilsubventionierung von einigen Sälen der Multiplexkinos am Potsdamer Platz, die im Interesse der Nebennutzung durch die Filmfestspiele ("Filmmesse") vom Steurzahler fertiggestellt wurden, richteten massiven Schaden sowohl in der traditionellen kommerziellen Kinomeile in der City-West und am Kufürstendamm (mit dem größten Kinofriedhof der Welt) als auch in den Bezirken und unter den Programm- und Szenekinos an.

Nach der Wende galt die neue City um den Potsdamer Platz allerdings als Prestigeprojekt der Vereinigungspolitiker Dr. Kohl und Dr. Hassemer, die somit ein ökonomisches und kulturelles Aushängeschild einer mitteileuropäischen Großmacht zu etablieren suchten: mit gravierenden Flurschäden in den Bezirken.

Somit verwundert, dass nach alledem 2009 der Glaube aufkommt, man könnte die wirtschaftlichen Eckdaten der gebeutelten Berliner Kinohäuser durch naives Wachstum verbessern, diesmal durch Umrüstungen zum Electronic Cinema frisieren.

Anstatt einer möglichen "Subvention zur Selbstabschafffung" also hätten deutsche Politiker rechtzeitig (die konservativ-schwarzen ebenso wie die sozialreformerischen) in ihrern Kinopolitik nach französischem oder norwegischem Vorbild verfahren sollen. Dies meint u.a. eine staatliche Begrenzung der US-Ware im Mainstream-Verleih Frankreichs eben so wie auf der anderen Seite die gesetzliche Verankerung des Wirtschaftsstatus der Kinos als "öffentliche Betriebe" unter Staatskontrolle wie in Norwegen an der Tagesordnung.

Es klingt sehr human, im einigen Kommunen Deutschlands weiterhin das Lied ungezügelt kleinst-privatwirtschaftlicher und künstlerischer Freiheit für die kleinen Ladenbetreiber zu trällern, während man schon zu Beginn der Kohl'schen "Spaßgesellschaft" den privaten TV-Gründungswahn von RTL bis SAT1 freie Hand ließ und eben so die öffentlichen Grundstücke (sie sollte eigentlich Volkseigentum sein) an "vereinigte" International-Cinema-Kinoketten (etwa zur erhofften "Belebung der Infrastruktur") freigab.

So groß der Schaden auch ist, so konnten sich immerhin in dieser Abwärtsspirale der Verscherbelung öffentlichen Tafelsilbers einige am Rande des Existenzminimums vegetierende Kintop-Stätten z.B. durch Kompensation der Verleihgarantieren sowie durch nachhaltige programmatische Grundversorung oder auch Gegenkulturen am Leben erhalten. Viele Vorortkinos wären ohne die künstlich geförderten 35mm-Zusatzkopien wirtschaftlich nicht aufrechtzuerhalten, hätte man nicht versucht, die Entartungen des freien Marktes durch Almosen der FFA-Einnahmen abzupolstern.

Jetzt steht die Wahlkampforderung der Agenda-2010-Partei SPD aus Berlin im Raume, die nach dem Einknicken vor Kino-Großketten, Großsendern und Potsdamer-Platz-Kinematheken den bezirklichen Niedergang durch wenig nachhaltigen Austausch der Bildwerfer abzuwenden hoffen, in dem den "Independents" ein vermeintlich freier Zugang zum Kuchen der DCI-Konzerne verschafft werde — obwohl das Interesse großer Major Companies und die in ihrer Vertriebspolitik Ausdruck findenden DCI-Welle ja gerade die Abschaffung angeblich zu träger Spielstätten und zu langer Auswertungszeiträume ist!

Die Subventionswerbung der SPDCDU folgt der Begründung, Programmkinos kämen damit an einen Programm-Content, der ihnen in der (derzeit noch funktionierenden analogen Filmbelieferung im immerhin "kino-arteigenem" 35mm-Format) in Kürze verwehrt würde, denn längst habe ein Roll-out stattgefunden, der die Berliner Kleinkinos überrollen könnte.

Weder aber existiert im Moment eine Verleiherdrohung der Filmkopienverweigerung, noch ist der erhoffte Content durch Anbindung an ein Satellitenkino ("Opern-Übertragungen", Computerspiele, TV-Übertragungen, Interneteinwahl) imstande, durch Langzeitauswertungen oder sich seit jeher traditionell "entwickelnde" Kinoerfolge eine Standortsicherung oder eine im Kern kompetente Corporate Identity der Kinostätten auzubauen, zumal Kinostandorte immerhin Betriebs- und Mietkosten unterworfen sind — noch hat der neue Content bewiesen, durch Alternativen zum Multimedia- und Internetcontent eine exponierte Eigenständigkeit der Kinos aus der Taufe zu heben, die sich signifikant abhebt oder auf Autonomie resp. technologische und inhaltliche Vorreiterrollen zum Multimedia-Content pocht.

Zumindest bleibt dem Nicht-Multiplex-gebundenen Kinomarkt in Berlin, so lange er nicht digitalisiert ist, noch "Luft" genug, dass sich Filme auch entwickeln können — und voraussetzungsbedingt auch eine längere Auswertung mit dem Filmbestellvertrag über eine 35mm-Kopie anvisiert wird.

Mit der Digitialisierung — so beschreibt etwa Georg Kloster von der Yorck-Kino GmbH das unkaklkulierbare Szenario — begänne, sofern ich ihn zutreffend auslege, auch der Wettlauf um immer schneller wechselnde Contents, der sich gerade in Einzelhäusern, so etwa im"International", verhehrend auswirken könnte, da man dort auf Langzeiterfolge angewiesen ist.

Dem füge ich hinzu: es drohen durch Anschluß an Beamer- und Satelliten-Contents auch verkürzte Auswertungsfenster im Kinospiel wie auch eine ökonmisch nivellierende Gleichschaltung mit Videomedien oder dem Ondemand-Verleih über die Datenautobahn des Internets.

Kloster befürchtet vielleicht auch ein weiteres: daß ein zu rascher Programmwechsel und eine Vermehrung des Programmangebots vom Publikum auch immer weniger wahrgenommen wird. Somit sinkt der Warenwert, die Wareneinsatzquote, und letzlich die Marge für Verleih und Betreiber - egal, wer von beiden den Wettlauf nun zuerst anheizte.

Einige befürchten seit längerem ein Kinosterben als Folge der Digitalisierung. Dem wäre jedoch Widerspruch in der Darstellung noch ganz anderer Gründe entgegenzusetzten: denn nicht etwa die nicht-digitalisierten Kinos sterben zuerst (denn Verleiher wie Fox haben soeben eine 35mm-Zusage an Kinos abgegeben, welche, aus welchen Gründen auch immer, 35mm zu spielen wünschen), sondern vorrangig könnte die flächendeckende Digitalisierung eine Todrüstung der Content-Anbieter zur Folge haben und zur Marktbereinigung führen.

Ließe sich noch über eine Bereinigung von Orten schlechter Projektion oder bisweilen eintönigen Mainstream-Contents durchaus im produktiven und avantgardistischen Sinne diskutieren, so erweisen sich im Verständnis des klassischen Dilemmas die technologischen Umbrüche (bei andererseits durchaus freierem, qualitativ gleichmässigerem und konstengünstigerem Bezug von Content) möglicherweise als Bumerang für die filmproduzierende Industrie: jene wird den flächendeckenden Verlust der meisten ihrer einstmals ortsfesten und werbewirksamen Filmtheater kaum aufhalten können.

CINERAMA
Vorstandsmitglied des Kinomuseum Berlin e.V.

Helmut Lehnert, Radio Multikulti und der Pensionslückenfonds

Bereits Ende März vermeldete die Pressestelle des RBB, dass Helmut Lehnert zum 1. Mai den Sender verlassen werde.
Hier der Wortlaut der RBB-Presseinformation Nr. 037/2009 vom 24.03.2009:

Nach 32 Jahren im SFB, ORB und rbb verlässt der Unterhaltungschef des rbb Fernsehens, Helmut Lehnert (58), zum 1. Mai 2009 den Sender. Helmut Lehnert: „Über einen längeren Zeitraum habe ich erkennen müssen, dass auch meine Energien endlich sind. Deswegen habe ich die Intendantin gebeten, mich von meinen Aufgaben zu entbinden. Nach mehr als dreißig Jahren in der Medienwelt werde ich mich jetzt weitgehend daraus zurückziehen.“ rbb-Intendantin Dagmar Reim: „Es fällt mir schwer, mir den rbb ohne Helmut Lehnert vorzustellen. Seine Kreativität, seine Programmfantasie, sein herausragendes Gespür für Talente werden wir schmerzlich vermissen. Wir würden gern weiter mit ihm arbeiten. Allerdings haben wir zu akzeptieren, dass sein Weg nun ein anderer ist. Wir verdanken ihm viel und wünschen ihm das Beste.“
rbb-Fernsehdirektorin Dr. Claudia Nothelle: „Helmut Lehnert hat angeboten, dem rbb weiterhin mit seinen Ideen und seiner Erfahrung zur Verfügung zu stehen. Das freut uns sehr. Die Verbindung zwischen ihm und uns wird nicht abreißen.“
Helmut Lehnert, 1950 in Marburg/Lahn geboren, arbeitet seit 32 Jahren für den rbb und seine Vorgängersender SFB und ORB. 1977 begann er als Moderator der Musiksendung s-f-beat. Danach übernahm er die Leitung der Musikredaktion von SFB 2, später wurde er Chef der Rockwelle Radio 4 U. Er gründete und leitete 1993 das Jugendprogramm Fritz und 1997 Radioeins („Nur für Erwachsene“) - Gemeinschaftsprogramme von SFB und ORB, die heute das Radioangebot des rbb prägen und in der deutschen Radiolandschaft einmalig sind. 2005 wechselte Lehnert vom Radio zum Fernsehen und übernahm die Leitung des Programmbereichs Film und Unterhaltung. Er entwickelte so populäre Formate wie „KRÖMER – Die internationale Show“, „THADEUSZ“, „Berliner Nacht-Taxe“ und „Feinkost“.


Bekanntlich wurde die Abschaltung der Radiowelle "Radio Multikulti" zum 31.12.2008 damit begründet, dass dem RBB in der nun laufenden Gebührenperiode 2009 54 Millionen Euro im Haushalt fehlen. Über die Gründe berichtete Frau Dr. Ulrike Liedtke, die damalige Vorsitzende des RBB-Runfunkrates, wonach "der RBB ist unverschuldet in Not geraten" sei. "Er leidet unter Gebührenausfällen und darunter, dass die Rundfunkgebühren ungerecht verteilt werden." (Quelle des Zitats: DWDL.de) In einigen anderen Pressemeldungen machte das hässliche Argument die Runde, dass zu viele Empfänger von Transferleistungen, also Sozialhilfeempfänger, die Zahlung von Rundfunkgebühren verweigern würden, was zu den "Gebührenausfällen" geführt habe, die nun die Einstellung einer Radiowelle zur Folge gehabt hätte.

Am 17.04.2009 konnte man bei der FTD unter ftd.de nachlesen, dass die ÖR-Anstalten wie MDR und SWR sich am Kapitalmarkt bei ihren Pensionsfondrückstellungen für künftige Pensionsansprüche verspekuliert hätten.

Ich bin mir ziemlich sicher, ohne bislang genauen Einblick in die Haushaltsbudgets zum Beispiel des RBB genommen zu haben, dass hier bei den Pensionsansprüchen — und nicht bei den Transferempfänger-Gebührenausfällen — der eigentliche Kern für zunehmende Klammheit der Haushalte von ÖR-Anstalten zu suchen ist. Ich würde dies ein vorgeschobenes Argument nennen.

Aufgefallen ist mir dies bei meiner Pressebetreuung für das Globians Doc Fest im Hause des RBB, als ich mal die schwarzen Bretter und Aushänge der Personalvertretung, Gewerkschaft etc. studierte und zufällig einen — wie mir scheint — fürs Haus typischen Fall vorfand, wonach in einem Nachruf darauf hingewiesen wurden, dass der verstorbene ehemalige Mitarbeiter des Hauses SFB in der Expansionsphase Anfang der 1970er-Jahre eingestellt wurde und zum Ende der 1980er-Jahre mit Anfang Fünfzig in den Vorruhestand verabschiedet wurde. Wie mir scheint, eine nicht ganz untypische Berufslaufbahn, über die im Hause RBB weitaus weniger gern geredet wird als über Gebührenausfälle von Hartz4-Empfängern.

Helmut Lehnert ist sein Abschied und goldener Handschlag für seine Verdienste seit 1977 für die Berliner Radioszene zu gönnen, auch wenn Radio Brandenburg der bessere Sender und die bessere Redaktion war; die Verabschiedung von Helmut Lehnert sollte allerdings nicht von einer weitaus tiefgründigeren Dynamik im Finanzjonglismus ablenken, die große Strukturen in Krisenzeiten unter ausbleibendem Wachstum binnen Tagen zu Fall bringen kann, gerade dann, wenn die tragende Struktur bereits übermorsch geworden ist.

ATRIUM

Sonntag, 19. April 2009

Der SMPTE 3D Home Master-Standard

Die Nachrichtenredaktion des Heise Verlags berichtet heute über den absehbar kommenden SMPTE 3D Home Master-Standard mit Masterdefinitionen und -Paramentern sowie einer Systembeschreibung der vollständigen 3D-Systemkette mit Nutzungsbeispielen auf der Basis von HD-Auflösung mit 60fps.

Mir scheint, dass die Entwicklungsübertragung von "Theatrical Applications" zu "Home Applications", die bei den Mehrkanal-Tonverfahren rund um Dolby noch gut 10 Jahre bis zum Ende der 1980er benötigte, hier in Rekordzeit auf maximal ein bis zwei Jahre abschmelzen dürfte. Hier wird das Kino technologisch bald auch wieder rechts überholt werden.

ATRIUM

BAMcinématek: The Late Work

Bei unserer kursorischen Suche nach inhaltlichen Betriebskonzepten für ein Kinomuseum, die über "Reliquienverehrung" und "Monothematischen Filmreihen" hinaus gehen, bin ich heute in der NYT auf einen Beitrag von A.O. Scott gestoßen, bezüglich einer von Miriam Bale an der BAM konzipierten und co-realisierten Filmreihe zu Spätwerken von Filmregisseuren, die lehrreiche Schnitte durch die amorphe Masse der Filmgeschichte zieht.

Dazu die Synopsis des Repertoire-Programms von der Website der BAM.

A great director often reaches a point towards the end of a long career when he works completely at his own pace. The work made in this period can be deceptively casual or slightly feverish, but is made with absolute assurance, often in defiance of stylistic and structural norms. These films can be among the most complex and interesting in a body of work, often approaching signature themes from new angles, as illustrated in this series of late films by master directors.


Scott bewertet diese Reihe in Kürze so:

The series at the Brooklyn Academy of Music is unusual, even radical in the way it brings together disparate materials. Most film series are organized around a single genre or period, a national cinema or, most conventionally, a single director’s oeuvre. BAMcinématek and the program’s co-curator, Miriam Bale, have wrenched two dozen films out of those familiar contexts, bringing together a startlingly diverse array of films and filmmakers, from Yasujiro Ozu to Jean-Luc Godard, from Ernst Lubitsch to Robert Altman, from John Ford and Howard Hawks to Stanley Kubrick and Ousmane Sembene. And rather than dwelling on established touchstones or acknowledged masterpieces, the series assembles an intriguing collage of movies that are, in their different ways, provocative and surprising, capable of challenging our assumptions about their individual makers and even about motion pictures in general.


In seinen weiteren, generellen Betrachtungen zum "Late Work", dem Spätwerk als eigener kunstgeschichtlicher Gattung, vergleicht Scott den Kinobereich mit anderen "Künsten der Kunst", wie etwa in der Literatur bei Updike, Roth und Ibsen, in der Malerei bei Monet und Matisse und in der Musik bei Beethoven. Scott verweist insbesondere auf Edward W. Said’s Studie “On Late Style” als kunstgeschichtliches Referenzwerk zum Verständnis des Spätwerks als eigener Gattung. Gegen Ende seiner Betrachtungen verweist Scott auf Woody Allen und Clint Eastwood, die noch keine Anzeichen von Müdigkeiten zeigen und er hält das Spätwerk von Martin Scorsese, Steven Spielberg and Francis Ford Coppola für derzeit noch nicht abschätzbar.

Festzuhalten bleibt, dass im Zeitalter der Online- und Silberscheiben-Verfügbarkeit auf AV-Trägern von immer weiteren Teilmengen der Filmgeschichte die großen monothematischen Filmreihen mit Festivalcharakter obsolet zu werden drohen. Der eigentliche Gewinn von kuratierten Filmreihen liegt also auch im "intelligenten Schneiden und Schnitten durch die amorphe Masse der Filmgeschichte". Inwieweit hier dann überhaupt noch "Theatrical Exhibition" notwendig wird, dürfte die weitere Zukunft zeigen. Natürlich wertet ein Festivalcharakter mit Einführungen und Q&A's renommierter Persönlichkeiten des zeitgenössischen Films, Pubizisten, Überlebenden, Verwandten und Freunden eine öffentliche Veranstaltung zum Festivalevent auf, was die eigentliche Attraktion solcher öffentlichen Filmreihen dann ausmachen dürfte. Aber einfach nur Kopie und Aufführungs-Rechte besorgen nach der Devise: "der Filmvorführer wird doch wohl noch den Film in den Projektor einlegen können"; Licht aus und Film an — nächste Vorstellung. So etwas dürfte bald nicht mehr ausreichen und selbst zu einer fossilen Flosse der Vergangenheit gehören. Das gilt nicht nur für Retrospektiven des Gesamtwerks eines Filmkünstlers, oder eines Querschnitt-Programms zu einem Film-Genre, sondern auch zu Retrospektiven filmtechnischer Darstellungsformen.


ATRIUM

Night of the Hunter

Gestern im DLR/DLF die Ursendung des filmkundlichen Hörspiels "Minutentexte" der beiden Berliner Autoren Michael Baute und Volker Pantenburg nach ihrem gleichnamigen Filmbuch zu Charles Laughtons 'Night of the Hunter' (1955) — und nicht zu verwechseln mit der Zugabe-CD zur Buchsonderausgabe. Angesichts des Mangels einer Repräsentanz der Filmgeschichte in den Massenmedien ein willkommener, essayistischer Beitrag, den man gerne auch als Audiotonspur einer Re-Edition des Films auf Silberscheibe als Bonusmaterial wieder begegnen wollen würde. Im Anschluß an die Ursendung im Radio gab es noch ein "Making-of" zum Höressay, ein Gespräch mit den beiden Autoren Baute und Pantenburg. Bedauerlicherweise werden im Internet-Archiv von DLR/DLF keine Hörspiele vorgehalten, auch wenn man beim Sendeformat "Aus den Archiven" die Sendereihe 'Allein gegen Alle' wiederhören kann. Jedenfalls machte die Sendung Lust auf den Film — und das ist in weitgehend filmgeschichtslosen medialen Zeiten schon sehr viel wert. Baute und Pantenburg betreiben das Weblog "New Filmkritik", wie man dem "Making-of"-Gespräch entnehmen konnte; Grund genug, es links in die hiesige Linkliste mit aufzunehmen.

ATRIUM

Samstag, 18. April 2009

Naz 8 Fremont

Einen Multiplex von acht Kinosälen, der mit 3.000 Sitzplätzen und 5.000 Parkplätzen kommerziell betrieben wird, und der ausschließlich Spielfilme aus Indien, Pakistan, Afghanistan, China, Taiwan, Korea und von den Philippinen mit englischen Untertiteln zeigt, dies kann wohl nur in einer besonders immigrationsfreundlichen Umgebung unter besonderen "mikroklimatischen" Bedingungen mit Nachhaltigkeit betrieben werden.

Auf unserer kursorischen Suche nach Kinobetriebskonzepten sind wir nach wie vor in der Bucht von San Francisco hängen geblieben: das Multiplex heißt Naz 8 Cinemas, liegt in Fremont an der südöstlichen Eastbay, nördlich von San Jose.

Das "Nas 8" ist insofern eine Attraktion, als dass die NYT in ihren aktuellen Reiseempfehlungen für den geschätzten Leser und Touristen, der das Silicon Valley besuchen möchte, diesen Multiplex auch als Attraktion fürs Sightseeing anempfiehlt:

Over the last four decades, the dream of being the next Jobs or Wozniak has captured the world’s imagination and turned the valley into a global crossroads. Nowhere is that more clear than on a visit to the Naz 8 Cinemas in Fremont, the manufacturing community southeast of San Francisco Bay. Billed as the first multicultural entertainment multiplex, it shows Bollywood movies from India as well as films from Pakistan, Afghanistan, China, Taiwan, Korea and the Philippines on eight screens with 3,000 seats and 5,000 parking places.


Ich kann mich noch gut an das "Feuersee Filmtheater" in Stuttgart der 1970er-Jahre erinnern. Dort lief eine ähnlich für die damalige Zeit wilde Mischung aus westindischen, bengalischen, ceylonesischen und jugoslawischen Spielfilmen mit entsprechend bunter Lobby und Kassenschlange. Das war die große Zeit der "Gastarbeitersondervorführungen" und von "Gastarbeiterfernsehsendungen" im ZDF am Samstagmittag. Das Bild oben zeigt das noch erhaltene Kassenhäuschen, der inzwischen als Sprechtheater genutzten Räumlichkeiten.

ATRIUM
Photo Credit: Joachim Polzer

Mittwoch, 15. April 2009

David Thomson: "America is as effectively over as Metro-Goldwyn-Mayer or United Artists"

Im "Guardian" vom 10. April ein sehr lesenswerter Beitrag von David Thomson mit dem Titel "Down and out in Hollywood" über mögliche Duplizitäten der künstlerischen Qualität im US-Kinofilm zwischen dem gegenwärtigen Freien Fall der US-depressiven Ökonomie und der Großen Depression in den 1930er-Jahren.

From 1932, let's say, until 1945, Hollywood was at its best, and that best includes not just the stars, but Ernst Lubitsch, Preston Sturges, Howard Hawks, Billy Wilder, John Ford and writers such as Sturges, Robert Riskin, Jules Furthman, Dudley Nichols, Norman Krasna, Sidney Howard, Ben Hecht and so on. So far, alas, the distinguishing demerit of the current box-office surge has been that we, the idiots, are lining up to see some awful pictures - and the audience takes it for granted now that little worthwhile opens in the first half of the year. Most new films are at the extremes established by the young audience - from brutal to fatuous. So nothing so far suggests a revival of standards from the 1930s.



Thomson sieht die seriellen Fiction-Formate des Fernsehens als die eigentlichen Sieger bei künstlerischer Qualität und bei der Effizienz des eingesetzten Kapitals, gerade angesichts der Kapitalvernichtung durch Monsterbudgets beim Kinofilm.

Wie gesagt, sehr lesenswert…

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Dienstag, 14. April 2009

US-Musicals auf BluRay-Disc: 'South Pacific', 'Gigi' & 'An American in Paris'

Dave Kehr hat in der jüngsten Sonntagsausgabe der NYT in seiner wöchentlichen DVD-Kolumne drei Neueditionen von US-Filmmusicals auf BluRay-Disc vorgestellt: die 70-mm-Produktion 'South Pacific' sowie 'Gigi' und 'An American in Paris'. Dabei unterscheidet Kehr zwischen Filmadaptionen von Bühnenmusicals (wie bei 'South Pacific') von einer eigenständigen Form von Filmproduktion, die das Bühnenmusical in die eigentümliche Raumzeit des Films transponiert statt nur Bühnenvorgänge in die reale Welt zu verlagern. Gegenbeispiele zu 'South Pacific' sind dabei für Kehr 'Gigi' und 'An American in Paris'.

Trotz anscheinend künstlerisch minderwertiger Qualität räumt Kehr 'South Pacific' dennoch eigene Verdienste ein:

But first let’s give “South Pacific” its due. Independently produced for release through 20th Century Fox, the film was shot in Todd-AO, a widescreen process that used a 65-millimeter negative to yield an extremely sharp image, uncompromised by the anamorphic squeeze of CinemaScope or the three-projector jitter of Cinerama. For the Blu-ray, Fox Home Entertainment has used a spectacular restoration of the original wide-gauge print, giving it a video transfer of such clarity and detail that the image seems almost to pop into 3-D.


Insofern bleibt die Frage offen, ob die retrospektive Renaissance des 70-mm-Formats nicht doch auf den Umstand verweist, dass es zwei-dimensionale Auflösungs- und Präsenzparameter sind, die wirklicher Träger des cinematischen Illusionseffektes sind (statt vermeintlicher und lediglich vorgetäuschter 3-D-Simulation). Das gegenwärtige 70-mm-Revival scheint die marktschreierische 3-D-Welt also geradezu "anzubäffen" und "rückzuerinnern", was bereits vor rund 50 Jahren cinematische Präsenz-Benchmarks waren.

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Zotero: Die Kunst des Notizenmachens

Ralf Grötker hat sich mit seinem Beitrag vom 13.04.2009 bei Telepolis verzettelt; er verweist auf die alte Kulturtechnik des Notizenmachens und der Karteikarte, die Dank Zotero neue Urstände feiert und zudem als Open-Source-Projekt akademisch mit angeschoben wird. Gleich mal ausprobieren…

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Montag, 13. April 2009

Die "Digital Window D7"

Die NYT berichtet über eine neue Überwachungskamera mit der Typenbezeichnung "Digital Window D7", die auch für die Kinematographie bei zunehmender Konvergenz von Foto-, Überwachungs- und Kinematographie-Aufnahmesensoren Bedeutung finden könnte, wenn statt des einen Standpunkts ein vernetztes "Array" von Kameras eingesetzt wird. Damit wird nicht nur visuelle Totalüberwachung mit unverzerrtem Blickwinkel von 180 Grad möglich, sondern auch nachträgliches Scharfstellen.

Bei so viel technischem Fortschritt dürfte der Rückschritt bald zum wahren humanistischen Fortschritt werden,
am besten mit Handkurbel auf selbst beschichtetem Filmmaterial mit eigens selbst angesetztem Entwickler.

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Mike Nichols

Zur im New Yorker MoMA bevorstehenden Retrospektive der Filme von Mike Nichols ein Beitrag in der NYT von gestern.

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3-D ist alter Wein in neuen Schläuchen und bereitet Kopfschmerzen

Bereits Anfang April erschien bei Slate.com ein bemerkenswerter Artikel mit Titel "The Problem With 3-D — It hurts your eyes. Always has, always will" von Daniel Engber, der mit einfachen Worten darauf hinweist, dass die gesamte 3-D-Technik des Kinos, die uns heute in digitaler Form als angebliche "Überwindung der schlechten, alten, analogen 3D-Filme" entgegentritt, nur alter Wein in neuen Schläuchen ist, weil die grundlegende Technik der Polarisation schlicht die gleiche geblieben ist und dabei das menschliche Sehen nach Vorne fokusieren will, wo aber nichts zum fokusieren vorhanden ist — und dies als Folge dann die üblichen Kopfschmerzen, Dissoziationen und Überanstrengungsempfindungen produziert.

3-D-Kino in digitaler Form ist schlecht für die Gesundheit und schlecht für das Sehen (und damit auch schlecht für die Kunst).
Es ist Daniel Engber zu danken, dies in einfachen Sätzen einmal klar gestellt zu haben.

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Design oder Nicht-Sein: Filmvorspann-Ausstellung in Berlin

Ostermontag am späten Nachmittag im "KW Institute for Contemporary Art" in Berlin-Mitte bei einer gut besuchten Ausstellung zum "Vorspannkino", im Untertitel der von der Kuratorin Susanne Pfeffer im Untertitel als "54 Titel einer Ausstellung" bezeichneten Exposition zu Gestaltungen des Filmvorspanns in der Filmgeschichte mit Schwerpunkt auf den 60er-Jahren, die aber insgesamt den Zeitraum von den Zwanziger bis zu den Nuller Jahren umgreift.

Die Ausstellung, die noch knapp eine Woche bis zum 19. April geöffnet hat, möchte — so der am Tresen auf Anfrage erhältliche Pressetext — "einen zeitgenössischen Blick auf das Phänomen" der Filmvorspänne und -nachspänne werfen, der als "außergewöhnliche Herausforderung" entstand,"Schrift, Bild und Ton zu verbinden und gleichzeitig in das Thema einzuführen, ohne es bereits vorweg zu nehmen".

Eine eigene Ausstellung zu diesem lange vernachlässigten Teilaspekt der Filmgestaltung in der Historie des Films war daher mehr als zu begrüßen, vor allen Dingen auch unter dem Aspekt, dass Ausstellungen zur Filmgeschichte lange Zeit unter dem Manko der Text- und Chartlastigkeit sowie unter dem mehr als fragwürdigen Aspekt der "Reliquienpräsentation" standen.

Im "KW" waren nun die verschiedenen Galerieräume des "Institute for Contemparary Art" abgedunkelt und zu finster-magischen Kinoräumen mit Beamerprojektion umgerüstet worden. Dabei wurde die große Halle im Erdgeschoss der Auguststr. 69 mit einer kinovergleichbaren Singularprojektion als "Kino 1" eingerichtet, die Galerieräume zweier weiterer Stockwerke waren mit 10 ("Kino 2") bzw. 7 ("Kino 4") Beamer-Wandprojektionen zwei bzw. drei Galeriewände entlang ausgestattet worden, die im Wechsel jeweils einen einzigen Filmvorspann projizieren. "Kino 3" arbeitet mit 11 auf den Raum verteilten Hartschaumplatten, die als frei im Raum gehängte Screens dienen und im Wechsel von Standbild auf Vorspann-Projektion wechseln; in den "Kinos 2 und 4" verbleiben die jeweils nicht-aktiven Bildwände schwarz, bzw. beamer-dunkelgrau. Insgesamt sind also 29 Beamer/Schirm-Einheiten für 47 Filmausschnitte im Einsatz (die auch in dieser Anzahl im Pressetext und im Ausstellungsfaltblatt dokumentiert sind). "Kino 1" bringt als größter Sichtungsraum eine Schleife von 19 Werk-Exzerpten. Es werden unterschiedliche Beamertypten, in der Mehrzahl von Panasonic, eingesetzt; die Projektionsqualität ist als zufriedenstellend zu bezeichnen, Regenbogeneffekte waren auf den Screens nicht zu beobachten; die Tonqualität war in der Regel gut, wenn auch die Schaumstoffplatten auf dem Fußboden in "Kino 4" zwar zu fußtaktilen Erlebnissen jedoch zu verschlechterter statt verbesserter, zu dumpf-dunklerer Akustik führten.

Die Ausstellung arbeitet konsequent ohne Textcharts und Erklärungsschilder; es verbleiben vier dunkle Räume der Kinomagie; das gedruckte Ausstellungsfaltblatt dient mit einer Ablaufprogramm der Saal-1-Schleife sowie mit den Einzelnachweisen für die Multiprojektionen der Räume 2 bis 4. Die Laufzeitangaben der Clips sind im Ausstellungsfaltblatt gedoppelt, als ob man eine Kummulierung der Einzel-Laufzeiten eigentlich geplant hätte und dann doch vergessen hatte, oder aber, als ob die zweite Angabe der Gesamtlaufzeitnennung der referenzierten Werke eigentlich gedient haben sollte (und was erhellend für die Laufzeitrelation von Vorspann zum Gesamtwerk gewesen wäre).

Eine alphabetische Listung nach Namen der "Title Directors" sowie eine alphabetische Listung der referenzierten Filme ist der Presseinformation vorbehalten; einfachen Besuchern wollte man so viel Ballast anscheinend nicht zumuten und sie haben — wie der Kassencounter mir berichtete — in der Regel auch nicht danach verlangt.

Über Biographien, Filmographien und Arbeitsmethoden auch der bedeutendsten Filmvorspann-Designer wie Saul Bass, Maurice Binder und Pablo Ferro erfährt man nichts. Als deutsches Beispiel aus den 1960ern ist 'Hokuspokus' (1966) im Vorspanndesign von Horst Piehler überzeugend; warum man lieber deutsche Trashregisseure wie Buttgereit oder Schlingensief als Repräsentanten des zeitgenössischen deutschen Kinos genommen hat, statt etwa X-Film-Beispiele gegenüber 'Seven' oder 'Twelve Monkeys' (1995) zu vergleichen, darf als Frage angemerkt werden. Wie sich die 54 im Untertitel angekündigten "film titles designs" zu den 47 dokumentierten verhalten, wird nicht vermittelt. In der spärlichen Dokumentation wird etwa auch der Filmvorspann von Welles 'Magnificent Ambersons' (1942) angekündigt, aber lediglich der damalige Film-Trailer wird statt des Filmvorspanns gezeigt. Warum plötzlich auch historisches Trailer-Design mit einbezogen wurde, ist ebenfalls unschlüssig. Ein Katalog zur Ausstellung wurde nicht vorgelegt, ist allerdings nach Aussage der Mitarbeiter vor Ort für Sommer angedacht. Die Ausstellung wurde zu wesentlichen Teilen vom "Hauptstadtkulturfonds" finanziert und als "Kooperationspartner" wird die "Deutsche Kinemathek — Museum für Film und Fernsehen" benannt.

Ich halte es zumindest für riskant, wenn filmhistorische und letztlich auch filmpädagogische Diskursprojekte in die Verantwortung von Galeristen oder Kuratoren der zeitgenössischen Kunst gelegt werden, selbst dann, wenn wie im Falle des 'film titles designs' hier eine Nähe zur Tafelkunst, zum Graphic Design, zur Typographie und zum Produktdesign unleugbar vorhanden ist.

Denn in der Absolutsetzung der Exponate wird leider vergessen, dass das Wichtigste im Kino die besuchende Zuschauer ist.
Er ist Kaiser und König jeder Art von cinematischer Veranstaltung.

Finster-dunkle Galerieräume in Schwarz, bei der sich die Zuschauer durchs Dunkel ihren verspäteten Weg zur bei Multiprojektion stets bereits begonnenen Filmtitelsequenz ertapsend finden müssen, hält zwar auf Trab und ist für Kunstkuratoren mal ein Gag der besonderen Art, führt aber stets zu Verdruss, weil die bei Licht hingesetzte Kinosituation zum Dunkel hin auch das der "titel sequence" adäquate Darstellungsmittel und -medium wäre.

Dem kommt die "Installation" in der Halle, "Kino 1" im "KW" genannt, eigentlich entgegen, wenn nicht gerade ein Besucheransturm die wenigen auf der Empore vorhanden und eng gestellten Klappsitze besetzt hält und man sich so stets fühlt wie ein Zuspätgekommener mit schlechtem Gewissen und noch schlechterer Sicht. Warum schließlich das dargestellte Kunstwerk dort unter sich bleiben soll, der große, eine Etage tiefer liegende, Saal abgesperrt bleiben muss, statt dass man sich dort nach noch bei Licht lesbarem Plan das Gesamtprogramm wie in einem wirklichen Kino nach Lichtdimmung hintereinanderweg auch linear anschauen kann, bleibt mir auch jetzt noch ein Rätsel. Es ist mehr als schade, dass nach der kinolosen Zeit im Filmmuseum hier nunmehr anscheinend das "Kind mit dem Bade" ausgeschüttet wurde. Eine, wenn auch kurze, kommentierende cinematische Präsentation (statt Charts und Schaukästen) hätte hier Wunder gewirkt.

Diese Umstände lehren mich, dass die Didaktik der Film- und Kinogeschichte nicht in die Hände von Galeristen gehört, die auf die möglichst rasant und effektvoll inszenierte Verkaufsattraktion von Exponaten — die im Kunstbereich nach dem Eintreten, Erfahren und Bewerten ja verkauft werden sollen — fixiert bleiben, während Kinomacher ja stets in der gesamten Kinogeschichte auf "Vorkasse" ohne zuvorige Inansichtnahme des Produktes bestanden haben. Insofern waren acht Euro regulärer Eintritt viel Geld für eine halbgare Ausstellung, auch wenn man bei der Eintrittnahme den üblichen Konventionen gefolgt ist.

Es bleibt das Desiderat, nicht nur eine Hommage, sondern eine gut dokumentierte Gesamt-Retrospektive der bedeutendsten Filmvorspann-Designer zu realisieren, vor allen Dingen namentlich eine zu Saul Bass, Maurice Binder und Pablo Ferro. Schade, dass die Mittel des Hauptstadtkulturfonds für dieses explizite Thema damit wahrscheinlich für Berlin erschöpft sein werden.

ATRIUM

Sonntag, 12. April 2009

Post Nr. 100: Fortschritte beim Fundraising für das 5. Globians Doc Fest Berlin in Kooperation mit betterplace.org

Erfreulicherweise sind Fortschritte beim Fundraising für das 5. Globians Doc Fest Berlin zu berichten, die das Festivalprojekt erstmals in Kooperation auf der Berliner Internet-Plattform betterplace.org koordiniert.

Unsere Fundraising-Seite findet sich HIER unter:
http://de.betterplace.org/projects/1086

Wir suchen im Moment noch nach Unterstützern, Förderern und Gönnern für zwei Zusatzvorstellungen von Dokumentarfilmen, die wir als Sondervorstellungen ermöglichen möchten; zum einen über den bald auch in Berlin wohl wichtig werdenden Aspekt der "Kinorettung als Bürgerbewegung" und zum anderen über das Thema der "Langzeitreisenden Rucksacktouristen auf Weltreise".

Jede Gönnergabe, ob nun 5 € oder 50 €, ist als finanzielle Unterstützung und Spende dafür sehr willkommen.

Herzlichen Dank!

ATRIUM

Samstag, 11. April 2009

Geoff Gilmore

Der ehemalige Leiter des Sundance Film Festivals, Geoff Gilmore, hat im Blog des Tribeca-Medienprojektes eine erste Standortmeldung aus New York City gepostet.

Darin folgende interessante Aussage:

The new world has a global and eclectic face to it for many reasons: international film has changed and prospered, the old art film is rapidly becoming a thing of the past, and the new global independent is seeking to find his/her place on whatever platform is available. Indeed, independent filmmaking is probably at a point where it needs to evolve to continue to have import, where its impact on the landscape of American film and film culture over the last three decades is morphing into something else—something that isn’t entirely familiar.

The world of film festivals is itself transforming and undergoing a reexamination, as just one aspect of this metamorphosis. It has to; otherwise, festivals will be irrelevant in a decade. We live in an age where information is overwhelming, but knowledge is scarce. The generation who now sees films knows far more about cinema, about global filmmaking and independent art and aesthetics than my generation did in the ’70s. But I daresay that it cares about it a lot less. Is this true? Is it a condemnation or a statement of fact?


Quelle: http://www.tribecafilm.com/festival/features/Geoff_Gilmore_Welcome_to_Tribeca.html

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Disneynature

Die NYT berichtet heute über das neue Disney-Sublabel "Disneynature", das mit "Earth" nicht nur "Planet Earth"-Material des Discovery-Channels plündert und wiedervermarktet, sondern das Personal gleich zur Subdivision-Bildung mit übernahm. Jean-François Camilleri ist der Leiter von "Disneynature" und sieht sich in der Kontinuität der True-Life” Filmserie aus den Disneystudios seit den 1950ern. Die NYT hält das für nicht unproblematisch, wie man nachlesen kann.

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Paul Verhoeven Interview

Die Berliner Zeitung bringt heute ein recht seltsames Interview mit dem niederländischen Filmregisseur Paul Verhoeven. Der Text ist sehr lesenswert, macht einem den Fall aber auch nicht gerade leichter.

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The Dark Side of Google

Mit tatkräftiger Unterstützung aus Indien (!) durch The Center for Internet and Society, Bangalore; The Tactical Technology Collective, Bangalore Office; Visthar, Dodda Gubbi post, Kothanyur-Bangalore; und The Meyberg-Acosta Household, Pune; ist bei der Mailingliste [nettime] eine kapitelweise, englische Übersetzung der italienischen Buchveröffentlichung

The Dark Side of Google
der 'Ippolita Collective'

unter CC-Lizenz erschienen, die im [nettime]-Blog nachzulesen ist.

Heute erschien der erste Teil des siebenten Kapitels. Ein kurzer Auszug:

The rise of Information technology to the status of main mover of
technological innovation makes new scenarios possible: IT is not merely a
technique to automatise the management of information, it also has a logic
of its own, meaning that it constantly strives to alter its own
underpinnings. IT is all at once material, theoretical and experimental.
IT applies to the formalisation of language (and hence contributes to the
formalisation of knowledge), and puts that to work with the physical
components of electronics, developing from there languages which in their
turn influence theories of knowledge. IT functions as a loop of sorts,
following a very particular cyclical process.



ATRIUM

Freitag, 10. April 2009

Wo ist das Fallback zum Internet ?

Der Sabotageakt in San José (Kalifornien) bestand aus dem Durchtrennen von zehn Glasfaser-Kabeln an vier Standorten; der Schaden geht in die Millionen, wie man bei der San Francisco Chronicle nachlesen kann. Angesichts der Tatsache, dass sich unsere allumfassend vernetzte Welt zunehmend auf ein Mononetzwerk ohne Fallback verlässt, weil das Mononetz ja angeblich krisentauglich havarie-unempfindlich sein soll, ist — wie von mir hier bereits erwähnt — vor weiteren Totalausfällen zu warnen. Wie sieht eine Welt aus, die kein Internet mehr benötigt? Und wie sieht eine Welt aus, deren Riesenspielzeug vorübergehend nicht mehr funktioniert?

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Gravitations-Kollaps: Nackte Singularität statt Schwarze Löcher und die mächtigen Gammablitze

In der astrophysikalischen Grundlagenforschung tut sich einiges Interessantes an neuen Erkenntnissen, kein Wunder bei der derzeitigen und seltenen Jupiter/Chiron/Neptun-Konjunktion in der Tonart Wassermann. Matthias Gräbner transkribiert heute bei Telepolis ein Interview mit dem indischen Astrophysiker Pankaj Joshi, der im Bombay zur Struktur von Raum und Zeit und zur Gravitation im Quantenbereich forscht. Dabei interessiert derzeit insbesondere die Frage, was beim Gravitations-Kollaps großer Sterne eigentlich vor sich geht und ob die dauernd behauptete Wiederholung, es gebe Schwarze Löcher und man habe mit der Annahme eines Ereignishorizonts eigentlich schon alles erklärt, nicht das genaue Beobachten von nackter Singularität gerade verdeckt.

Dieser sehr lesenswerte TP-Beitrag folgt auf Gräbners Einführung ins Thema mit dem Titel "FKK im Weltraum" vom 23.03.09 und steht ebenfalls in Zusammenhang mit Gräbners Text von gestern zu den massiven, extragalaktischen Gammastrahlen-Blitzen, Gamma Ray Bursts oder GRBs genannt.

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Donnerstag, 9. April 2009

Leonard Nimoy

Wie man bei Filmfestivals einen Coup landen kann, zeigt dieser Blog-Eintrag bei ArtBeats, dem Kultur-Blog der NYT.

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Platin, Scandium, Neodym, Gallium, Germanium, Indium, Tellur, Tantal

Die Nachrichtenredaktion des Heise-Verlags bringt eine Meldung zu einer Studie des deutschen Wissenschaftsministeriums BMWI bezüglich Engpässen bei der Rohstoffversorgung für die Hightech-Industrie innerhalb der nächsten gut 20 Jahre, die die Einschätzung revidieren sollten, dass die materielle Basis der Digitalen Kultur so gut wie nichts kostet und quasi nur aus ein paar Molekülen in Mikro-Schaltungen besteht; vom Energiebedarf, das Netz am Laufen zu halten, einmal ganz abgesehen. Hierin dürften die Grenzen des Digitalen Wachstums begründet liegen and bereits heute schon indiziert sein.

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Wenn alternde Musikstars Geld benötigen…

…dann sieht das insbesondere nach kostspieligen Scheidungsverfahren in etwa so aus, wie es die NYT gestern berichtet hatte. Es bleibt spannend, ob der Schutzzeitraum bei Leistungsschutzrechten in Europa tatsächlich bei 50 Jahren belassen bleibt, denn dann dürften in drei Jahren die ersten Musikalben von Stones und Beatles in ihren Leistungsschutzrechten frei werden, wie es derzeit gerade bei den ersten Stereoproduktionen im Klassikbereich passiert ist. Im übrigen hat McCarthy wohl so viel Vermögen, dass ihm auch eine teure Scheidung nichts anhaben konnte. Bei unveränderter Gesetzeslage innerhalb der EU bleibt also nicht mehr viel Zeit, um aus dem musikalischen Programmvermögen geldwerten Nutzen zu ziehen.

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Dienstag, 7. April 2009

Up, up and away…

In der NYT vom 6. April ein Beitrag zu den Ertragsprognosen des neuen Pixar-Werks "UP", wonach Börsenanalysten der Wall Street, oder solche, die sich noch dafür halten, bereits jetzt schon enttäuscht vorhersagen, dass "UP" wohl kaum die 5 Milliaren USD einnehmen wird, die alleine "CARS" durch Merchandize generieren (rsp. an volkswirtschaftlicher Kaufkraft abzapfen) durfte. Man erwartet "nur" etwas über 200 Millionen USD an Kinokassenumsatz, bei rund 180 Millionen USD an Produktionskosten für die vierjährige Herstellungszeit des Werkes. Sorge bereitet wohl der Umstand, dass man Luftballons möglicherweise nur ohne kostbare Disney-Luft verkaufen können wird. Immerhin sind die Verkaufserlöse der Silberscheibem bei der Analystendarstellung i.d.R. noch nicht mitgerechnet. Nach dem Trailer von "UP" zu urteilen, erwartet uns beste Kinounterhaltung auf hohem Niveau. Wer hätte in der Branche sonst noch den Mut, aus charmanten Droiden, kantigen Greisen und kultivierten Ratten cinematograhische Werke zu animistischen Grundfragen menschlicher Zusammenlebens zu kondensieren. Was Mr. Katzenberg nie verstanden hat und wohl auch nie verstehen wird, ist die Tatsache, dass in einem ökonomischen Umfeld, dass die Balance in Richtung Bildschirmpersonal verloren hat, Animationsfilme zum Terrain für Autoren-Regisseure werden, die man wie einst bei Hitchcock mit Erfolg zu einer eigenen Marke aufbauen kann.

ATRIUM
Bildquelle: http://blueskydisney.blogspot.com/2009/04/la-haut-poster.html | © DISNEY Corp.

Montag, 6. April 2009

Kino ohne Fremdwerbung ?

Bei ftd.de mit heutigem Datum online ein Beitrag in der Financial Times Deutschland über das mögliche Ende von Fremdwerbung in Kinos unter dem allgemeinen Zusammenbruch der Buchungsquoten aufgrund von institutionsbedingter Inflexibilität sowie mangelnder Fokusierung in Sachen Schärfe der Zielgruppenbestimmung. Und wieder zeigt sich, wie die alte Tante Kino bei der allgemeinen Kontextualisierung der digitalen Kultur mit Tags, Nutzungsprofilen und Keywords zurück bleibt. Die Werbewirtschaft will kein Kino mehr buchen, sondern einen Werbekontext wie bei Google Ads.

ATRIUM

Der Filmvorspann

Bei Telepolis ein Beitrag zum "Vor-Hängsel" als kurze Erinnerung an die Geschichte des Filmvorspanns im Tonfilm mit Hinweis auf eine derzeit in Berlin und noch bis zum 19. April laufende Ausstellung mit dem Titel VORSPANNKINO in den Berliner Kunst-Werken (Auguststr. 68, Berlin-Mitte). Saul Bass und Maurice Binder kommen natürlich auch darin vor.

ATRIUM

Sonntag, 5. April 2009

Verschüttete Traditionen der Musikkritik

Nachrufe auf Filmkomponisten gleichen denen auf Modeschöpfer: nicht die Komposition selbst (war sie bei Jarre mehr avantgardistisch oder ekklektizistisch?) interessiert den Medienwert, sondern die Trophäensammlung seiner Preise und Regisseure: so meldeten die "tagesschau" zunächst den Tod eines Komponisten, der natürlich mit Hitchcock (wohl nur 1 Film) und dann einem "Luchiano Viconti" [Luchino Visconti] zusammenarbeitete, späterhin folgte in selbiger Sendung der Evergreen-Komponist mit "Oscars für 'Doktor Schiwago' und danach [?!] für 'Lawrence von Arabien' sowie 'Reise nach Indien'. Filmisch wurde in den Sendern nichts Informatives eingeblendet: weder Werkfotos, Berlinale-Auftritte noch seine Zusammenkünfte mit Orchestern oder Filmemachern.

Stilanalysen in den Film-Fachzeitschriften sind eben so wenig zu erwarten, so lange in "ernstzunehmenden" Publikationen wie etwa dem "FILM DIENST" schon die sogenannten Klangwunder eines Hans Zimmer in Manier gastronomischer Provinzreportagen rezensiert wurden. An eine neue "Einführung in die Musiksoziologie" wird sich kaum jemand mehr herantrauen, könnte man meinen.

Um so enttäuschender das Interview von Gerhard Midding im Berliner "Filmhaus" (also das am Potsdamer Platz), das einen wenig belesenen Kritikerkollegen auf den bereits kränklenden Jarre zum Interview ansetzte — mit vergleichsweise geringer Ausbeute. Hier hätte man sich den Jarre-Vertrauten und Journalisten Marc Hairapetian gewünscht, der sicher einige Details erhellt hätte, die im sehr weitreichenden OEuvre dieses Komponisten erinnerungsbedürftig gewesen wären: die frühen französischen Kompositionen etwa, aber auch TV-Serien wie SHOGUN und JESUS VON NAZARETH oder auch die libyische Großproduktion OMAR MUKTHAR - LÖWE DER WÜSTE.

CINERAMA

Georg Seeßlen über den 3-D-Boom

Georg Seeßlen kommt in der April-Ausgabe von epd-film unter dem Titel "Popcorn raus, Brille auf! — Zum 3-D-Filme-Boom" zu einem recht ähnlich pessimistischen Ergebnis wie Roger Ebert: Die neue 3-D-Remineszenz beschleunigt den "Untergang des Kino" eher, als dass sie ihn retardiert. Bedauerlicherweise ist der Beitrag weder online noch kostenpflichtig (!) abrufbar.

Das Kino kann ohne Interaktionsformen nicht mehr mit den individualisierten Netzmedien mithalten. Man darf daher für sich selbst schlussfolgern, dass gerade auf diesem Gebiet das eigentliche Durchbruchpotential für wirklich Neues erschlossen werden könnte. Statt Opernübertragungen müßte die Frage also lauten: Warum gibt es eigentlich keine LAN-Parties in Kinos? — Im Umkehrschluss bedeutet dies allerdings dann auch, dass das "Kino, so wie wir es kennen" eigentlich nur noch als Museumsbetrieb eine Existenzberechtigung und damit eine eigene Zukunft haben dürfte. Damit wäre man allerdings dem Opernbetrieb mit Sekt und Häppchen dann näher als mit übelriechenden Popcorn-Nachos-Soßen. Die allerorten derzeit aufsprießenden 70-mm-Festivals weisen eigentlich einen Weg, der auf anderen kinohistorischen Gebieten adaptiert werden könnte.

ATRIUM