Samstag, 17. Oktober 2009

Stuttgarter Kinogeschichten. Leben live im Kino: Detlev Mähl im Gespräch mit Joachim Polzer, Teil 3

Joachim Polzer: Ich möchte nochmals zurück kommen zu den 1970er-Jahren. Bei den Kinoprogrammen hatten sich damals mehrere "Wellen" übereinander gelegt. Einseits gab es letzte Höhepunkte des epischen Kinos in Breitfilmen, andererseits konnten die wirklich überragenden Werke des Breitwandkinos nochmals mit Retrospektiven auch im regulären Kinoprogramm gezeigt werden, weil Kinowerke wie etwa "Ben Hur" von 1959 oder "2001 - A Space Odyssey" für das Fernsehen "selbstverständlich" gesperrt waren und sie sich zudem noch nicht auf Heimmedien selbst Konkurrenz machen konnten.

Detlev Mähl: Und dann aber plötzlich so ein Knaller wie "Easy Rider" oder Konzertfilme wie "Woodstock". Als David Lean "Ryans Tochter" 1970 in die Kinos kam, erfüllte er schon nicht mehr die Erwartungen des Publikums und damit natürlich auch nicht die Erwartungen an der Kinokasse: Wunderschöne Bilder und eine bezaubernde Geschichte, aber die Zeit war einfach vorbei. Und dadurch benötigte man eben auch nicht mehr diese aufwendige Kinomaschinerie. Der traditionelle, US-amerikanische Western hatte sich gleichzeitig auch schon totgelaufen, bis dann Leute wie Leone aus Italien kamen und das Genre neu erfanden und wieder belebten.

Joachim Polzer: Der Zeitgeschmack hatte sich einfach verändert und die Lebensstilrevolution der Jugend fand langsam ihren Ausdruck in den Filmen des "New Hollywood".

Detlev Mähl: "2001" hatte im Kino natürlich auch so seine Probleme. "2001" war ja im eigentlichen Sinn kein Science-Fiction-Film, sondern eher ein Kunstfilm, man muss es so betrachten, gerade mit seiner Bild- und Tonwirkung -- bedingt durch seine Aufnahmetechnik, die wirklich super-scharfe Bilder hervorbrachte, wenn die Projektion stimmte. Und da lag oft das Problem. So ein überbreiter Film, wie eben das 70-mm-Format, musste sehr genau im Bildfenster des Projektors liegen. Wenn irgendwelche Unebenheiten vorkamen, war das Bild von Vorneherein unscharf. Vorführer tendierten dann oft dazu, solche partiellen Unschärfen durch Verkannten des Bildfensters wieder auszugleichen, was aber das Problem letztlich nur noch verschärfte. Gleichzeitig muss bei der 70-mm-Vorführung auch im Lampenhaus bei der Ausleuchtung der Brennpunkt ein anderer sein und dafür muss die Optische Achse verschoben werden, sonst bekommt man in der Bildmitte einen Hotspot mit Abschattung zu den Rändern. Zudem scheint bei falscher Ausleuchtung das Bild unschärfer zu sein. Und da fängt dann die Kunst der Filmprojektion und die des Filmvorführers eben an.

Joachim Polzer: Das "Atrium" war mit zwei DP-70 von Philips ausgestattet.

Detlev Mähl: Ja, die beiden DP-70 wurden nach dem Umbau übernommen. Die DP-70 wurde damals übrigens liebevoll als "Dollar-Prinzessin" bezeichnet, weil Philips sehr viele davon in die USA verkaufen konnte. Die DP-70 war, gerade was den Bildstand betrifft, damals das beste Gerät für 70-mm-Projektion am Markt. Bauer bot später mit der U2 auch einen 70-mm-Projektor an. Man konnte auf der DP-70 als Doppelformat-Projektor ja auch 35-mm-Film spielen. Bildstandprobleme gab es mit diesem Projektor nur dann, wenn das Maltesterkreuz defekt war. Die DP-70 hatte eine eigenartige Konstruktion: Man konnte die Filmbühne im Projektor zum Filmeinlegen nur dann aufbekommen, wenn die Umlaufblende einen ganz bestimmten Stand hatte. So ein Projektor benötigt eben eine gewisse Zeit, bis nach dem Filmdurchlauf und dem Ausschalten der Machine die Mechanik ausläuft und ganz zum Stehen kommt. So mancher Filmvorführer wollte dies nicht abwarten und hat die Filmbühne noch bei auslaufender Mechanik aufgerissen, was dazu führte, dass die Umlaufblende auf die Filmbühne knallte, und so zu einem belastenden bis überlastenden Ruck auf das Malteserkreuz führte. Die mechanische Friktion für die Filmspulen und das Malteserkreuz-Getriebe der DP-70 waren schon recht stabil und für 70-mm-Film verstärkt, aber dann doch nicht so stark gewesen, als dass es nicht ab und zu notwendig wurde, zumindest das Malteserkreuz-Getriebe zu wechseln. Wenn man darauf achtete, belohnte es einem die DP-70 mit einem hervorragenden Bildstand. Der Filmproduzent Michael Todd wollte ja das dreistreifige Cinerama-Verfahren durch ein nach ihm benanntes Breitfilmverfahren "aus einem Loch" ablösen und man wollte in den USA damals einfach große Bilder haben. Mit den damaligen Auflösungsgrenzen der chemischen Emulsionen war das große Negativformat die Antwort gegenüber dem Standard des 35-mm-Films. Man nahm dazu eine Idee aus den 1930er-Jahren wieder auf, die damals noch nicht zündete, weil die Kinobesitzer in der damaligen Wirtschaftskrise nicht das Geld dazu hatten, es zu realisieren.

Joachim Polzer: Zwei Revolutionen zur gleichen Zeit gehen nicht, im Kino schon gar nicht. Die damalige Umstellung von Stumm- auf Tonfilm war gerade unter den Bedingungen der damaligen Wirtschaftskrise schon fast "too much". Da war dann keine Kapazität mehr vorhanden und niemanden stand der "Sinn" nach noch mehr Kinorevolution. Das ist für uns heute als geschichtliche Parallele natürlich interessant: 1997 durfte ich in Karlsruhe die ersten Labormuster von digitalen Kinoprojektoren in 2K-Auflösung vorstellen. 2009 endlich, 12 Jahre später, geht es mit der Umstellung in Richtung Digitales Kino langsam auf breiterer Basis los, allerdings getrieben von einer neuen Euphorie des digitalen "3-D", die als technische Umstellung eben Digitaldaten und elektronische Projektion zur Bedingung macht. Es lässt sich jetzt gut darüber streiten, ob das nun zwei getrennte Revolutionen sind -- Digital und 3-D -- oder ob die neue 3-D-Welle nicht einfach nur neue technische Konditionen, eine neue technische Infrastruktur des Kinos, voraussetzt, die auch nach einem eventuellen Abebben von 3-D ein weiteres Eigenleben entwickeln kann -- wenn es dann Kinos im traditionellen Sinne künftig überhaupt noch geben sollte.
Ansonsten dürfen derzeit noch Wetten darauf abgeschlossen werden, ob die "3-D-Welle" wieder nur eine temporäre Angelegenheit ist, oder ob nicht doch alle Wertschöpfungsketten der bewegten Bilder auf 3-D künftig grundlegend umgestellt werden. Insofern scheint mir die damalige Innovation mit "70-mm-Breitfilm" der 1950er- und 1960er-Jahre im Rückblick eher wie eine Innovation des Luxus in Zeiten der wirtschaftlichen Prosperität statt einer wirklichen Medienrevolution in Zeiten der Krise gewesen zu sein. Das ist insofern interessant, weil bislang der damalige Drang zu großen Kino-Bildern seinerseits als Krisenreaktion des Kinos gegenüber dem damals neuen Medien-Konkurrenten Fernsehen gewertet wurde. Das würde auch erklären helfen, warum die 70-mm-Innovation in den 1970er-Jahren nach gut 15 Jahren Wirkungsdauer wieder zurück genommen wurde, zugunsten des Standardfilmformats 35-mm. Vielleicht, weil eine zunächst existenzbedrohend wahrgenommene Krise nach Marktbereinigungen dann doch als mediale Koexistenz umgewertet werden konnte. Dieser Umstand würde wiederum erklären helfen, warum "Schachtelkinos" und "Kinocenter" sich damals am Markt überhaupt haben durchsetzen können: Wenn das Kino durch Fernsehen als Sozialform nicht tot zu kriegen sei, dann war auch egal in welcher betriebswirtschaftlichen Form dies geschehen kann.

Detlev Mähl: Die Investitionen der Produzenten in 70-mm-Aufnahme und -Vertrieb hatten sich damals in den meisten Fällen durchaus gelohnt, wenn auch die Projekte insgesamt einfach zu teuer wurden, um sich weiterhin finanziell amortisieren zu können. Und das lag nun wiederum nicht etwa an den Kosten des 70-mm-Filmmaterials oder möglichen Zusatzkosten für 70-mm-Spezialkameras, sondern schlicht an den zusätzlichen Kosten für filmischen Aufwand vor der Kamera. In ein größeres Bild mit einer hohen Detailauflösung muss man mehr hinein stellen, es muss inhaltlich vor der Kamera mehr "Masse" bewegt werden. Kinobilder sind dazu da, ausgefüllt zu werden. Darin lag das grundlegende Problem. Hinzu kam erschwerend, dass das Publikum eben auch ganz plötzlich und ganz heftig nach "Kammerspielen" verlangte.

Joachim Polzer: Kommen wir nochmal auf den Umbau des "Atrium" im Jahr 1974 zurück. Was wurde denn konkret technisch verändet und verbessert?

Detlev Mähl: Man hatte die alten Röhrenverstärker aus den 1950er-Jahren entsorgt und sich eine neue transistorisierte Tonanlage hingestellt. Man hatte auch neue Lautsprecher installiert, die dann allerdings nicht unbedingt besser waren als die alten Hörner. Die Zeit mit dem Riesenbass fing erst später an, mit Sensurround, der dann nach dem Umbau kam. Die Bogenlampen mit Kohlestiften wichen Xenon-Licht. Mit dem Umbau wurde auch eine neue Leinwand eingebaut, verbunden mit dem Anspruch, dass man auch bei 35-mm-Formaten ein großes Bild erzeugen möchte. Der Gedanke war, dass man das CinemaScope-Format auf die Leinwandbreite des 70-mm-Formats bringen wollte und mit einem fahrbaren Kasch dann in der Höhe entsprechend abdeckt. Umgekehrt konnte man bei sphärischen Breitwandformaten oder im Normalformat den Höhenkasch rausfahren und bekam dabei eben auch ein entsprechend sowohl in der Höhe als auch in der Breite vergrößertes Bild hin. Allerdings waren die dafür notwendigen, kurzen Brennweiten auch ein Handycap: Eine kurze Brennweite hat durch Verzeichnungen eben ihre Grenzen, zumal das Verhältnis zum Film sehr kritisch ist. Man stand über die Vertriebsfirmen in recht gutem und intensivem Kontakt zu Schneider und ISCO, die in Sachen Kinooptiken damals an Neuentwicklungen arbeiteten. Das "Atrium" war daher in Sachen Optiken bestens ausgestattet, um in den gängigen Filmformaten eine wirklich gute Projektion hinzubekommen. Das Haus war während des Umbaus im Sommer 1974 komplett geschlossen. Neueröffnung war dann im September 1974 mit "The Conversation" von F.F. Coppola im großen Saal, gleichzeitig wurde das "Bambi im Atrium" eröffnet. Bei den Magnetton-Vorverstärkern gab es anfangs Probleme, weil die Relais des neuen Filmtellers in die Magnetton-Vorverstärker hinein knackten, was bei der Stille des Weltraums von "2001" nicht besonders originell war. Mit Hilfe von Hans Hänssler fanden wir dann auch dafür noch eine Lösung. Man war allerdings generell, Mitte der 1970er-Jahre, bereits über die zeitgenössische Erfahrung des 70-mm-Films hinweg. Man hatte die Erfahrung des täglichen Spielbetriebs mit 70-mm-Kopien einfach nicht mehr. Es hatte sich, schon aus der damaligen Perspektive heraus, bereits alles schon überholt: Man war generell wieder zu 35-mm und Mono-Lichtton als Standard zurückgekehrt. Es lässt sich also sagen, dass man Mitte der 1970er-Jahre schon über diese Zeit hinweg war -- und was noch schlimmer war: Ich merkte bei meinen Recherchen zu schon damals historischen Filmverfahren, dass auch die alten Kinotechniker nicht mehr greifbar waren. Die Zeit hatte auch sie eingeholt. Es war vorbei. Bei mir machte es dann die Erfahrung im Umgang mit den Kopien und dem Spielbetrieb von entsprechenden Filmreihen. Was von dieser großen Zeit des Kinos und seiner mächtigen Kinomaschinerie übrig bleib, das waren die Idealisten. -- Idealisten, die das gern gemacht haben und mit Liebe bei der Sache und ihrer Arbeit waren. Man musste sich mit seiner Arbeit identifizieren können. Interessant war, dass nach 1989 die Vorführer aus der ehemaligen DDR technisch wesentlich versierter waren, als was im Westen noch übrig geblieben war. Einige von denen waren so gut, dass sie sich nach der Wende im Westen als Kinotechniker etablieren konnten.

Joachim Polzer: Kommen wir nochmal auf die Betreiber des "Atrium" zurück, die Colm Filmtheaterbetriebe und ihr Ensemble an Stuttgarter Kinos. Welche Kinos wurden in den 1970er-Jahren nach der Schließung des "Planie" in Stuttgart von "Colm" betrieben?

Detlev Mähl: Neben dem "Atrium" und dem "Colibri" gehörten noch das "Delphi" in der Tübinger Straße und das "Europa" in der Königstraße dazu. Und eine Zeit lang gehörte ihnen auch das "Royal" am Rotebühlplatz, dort, wo heute der C&A ist. Im "Royal" wurden gerne die Filme von United Artists gespielt; ich erinnere mich dort an "West Side Story" in Mono, "Irma la Duce" und "Viva Maria". "Planie" und "Royal" gingen schließlich weg. Das "Colibri" wurde dann später auch umgebaut. Im "Colibri" war gegen Ende der 1970er-Jahre dann die "Rocky Horror Picture Show" über Monate der absolute Hit. Das "Europa" war mit über 600 Plätzen das größte Kino der Colms; die "Bond"-Filme - zumindest jeder zweite und dann geteilt mit den Palast-Kinos -- oder sonstige Action-Ware wurde gern im "Europa" gezeigt. Dadurch dass das "Europa" ein sehr langer Schlauch als Saalform war, gab es nur eine mickrige Leinwandwirkung und die Akustik im "Europa" war zudem recht mies. Die Qualität von Bild und Ton haben halt ihre physikalischen Grenzen. Heute könnte man solche architektonischen Mankos technisch ausgleichen, aber damals war davon natürlich nicht die Rede, weil es technisch einfach nicht ging. Das "Delphi" hatte eine programmliche Sonderstellung, man spielte dort gerne auch anspruchsvolle Filme oder familientaugliche Unterhaltung und wenn ein Film im neuen "Bambi im Atrium" zu gut lief, wurde er eben ins "Delphi" gesteckt, wie etwa "Die Ehe der Maria Braun". Das "Delphi" war ein ganz alter Kinobau, einer der ältesten in Stuttgart.

Joachim Polzer: Du hast im "Atrium" die Einführung von "Sensurround" geleitet und überwacht.

Detlev Mähl: Während "Schlacht um Midway" und "Achterbahn" als 35-mm-Kopie liefen, wurde "Erdbeben" in 70-mm gezeigt. Bei "Erdbeben" waren auf den beiden Kanälen "Halblinks" und "Halbrechts" die entsprechenden Steuerspuren für Sensurround. Die Sensurround-Lautsprecher blieben dann teilweise noch im Kino, weil der Verleih froh war, dass sie dort bleiben konnten. Ich hatte die dann später als Subwoofer im regulären Spielbetrieb benutzt, hatte jedoch dann die dafür vorgesehenen und entsprechend leistungsfähigen Verstärker nicht mehr. Das heißt, ich musste diese Riesensubwoofer-Boxen dann untersteuern, was aber immer noch ausreichende Wirkung erzeugte. Ich erinnere mich etwa noch an deren Einsatz bei "Alien 2" mit dicken Bässen. Und das war dann eigentlich auch schon die Zukunft im Verhältnis zu dem, was sie in den USA schon länger hatten.

Fortsetzung folgt.

Bildnachweis: Joachim Polzer

Montag, 12. Oktober 2009

Kulturelles Driften

Gleich drei Mal bin ich heute auf "Kulturelles Driften" als schleichender, derzeit vorherrschender Kulturprozess gestoßen. Einmal ist mir die diesjährige Film-Ausgabe des BELIEVER Magazins aus San Francisco erneut in die Hände gefallen, mit dem sehr lesenswerten Beitrag von C.S. LEIGH über "CONTEMPLATING THE NEW PHYSICALITY OF CINEMA".

Zum anderen hat sich Rüdiger Suchsland gestern und heute in TELEPOLIS detailliert, vielschichtig und nuanciert über "Polanski und seine Feinde" geäußert; ein Beitrag, der den "Fall Polanski" eher als einen Fall durch "Kulturelles Driften" erkennen lässt.

Dass schließlich aus dem Wesenskern politischer Repräsentation im Nationalstaat eine zunehmend identitätslose Hülle gemäß dem "Malen nach Zahlen" geworden ist, scheint mir nach aktuellen Farbenspielereien auf den Paletten von Schwarz-Gelb-Grün, über Rot-Rot-Grün, Schwarz-Rot, Rot-Rot, Schwarz-Gelb bis zu Rot-Grün ein weiteres Indiz für einen vorliegenden Fall von "Kulturellem Driften" zu bedeuten. Wie gut, dass das Deutschlandradio am Wochenende des 17./18.10.09 eine dreistündige "Lange Nacht" (jeweils auf DLF und DLR) veranstaltet zur bedeutenden Wiederkehr des Denkens von Leopold Kohr (und kurz nach seinem 100. Geburtstag).

ATRIUM

Donnerstag, 8. Oktober 2009

Stuttgarter Kinogeschichten. Leben live im Kino: Detlev Mähl im Gespräch mit Joachim Polzer, Teil 2

Joachim Polzer: Du hast dann, ab MItte der 1960er-Jahre als Vorführer im Stuttgarter "Planie" am Charlottenplatz gearbeitet, dort wo heute das "Institut für Auslandsbeziehungen" ist. Wie kam es zu diesem Wechsel?

Detlev Mähl: In's "Planie" ging ich zunächst auch als Gast. Das "Planie" war bekannt für die "Räuberfilme", wie es damals hieß. Dort liefen viele Western und Abenteuerfilme. Die großen Filme liefen bei den Stuttgarter Colm Filmtheaterbetrieben alle im "Atrium". Dann hatten Colms zur damaligen Zeit noch das "Colibri" in der Alten Poststraße, bekannt als eine Art Außenseiterkino. Interessant am "Colibri" war aber, dass die schwarze Leinwand-Abdeckung nach oben wegfahren konnte, so dass man Filme im Normalformat ziemlich hoch und damit groß und zugleich brilliant zeigen konnte. Denn beim "CinemaScope des armen Mannes", beim Bildformat 1 : 1,85, wurde die beim 35-mm-Film mögliche, maximale Bildfläche auf dem Filmstreifen doch recht arg beschnitten und zudem die Bildqualität noch durch den höheren Vergrößerungsfaktor weiter reduziert.

Joachim Polzer: Das "Colibri" wurde vor einiger Zeit ja komplett für einen Neubau abgerissen, einschließlich der ehemaligen Büroräume der "Colm Filmtheaterbetriebe", die sich in etwa über dem Colibri befanden. Der Abriß des Colibri brachte die Geschichte dieses Kinos sogar wieder in die Lokal-Zeitungen. Ich erinnere mich noch gut an den alten engen Fahrstuhl und die herrschaftliche Einrichtung des Chefbüros der "Colm Filmtheaterbetriebe" mit dem auf einem Wandfoto hinter dem Schreibtisch stets noch präsenten Willy Colm. Ich glaube, einige Starphotos von Hollywoodgrößen machten an den Wänden zusätzlich Eindruck. Wie kamst Du schließlich zu Colms als Vorführer ins "Planie"?

Detlev Mähl: Der Betreiber des Gablenberger "Apollo"-Kinos am Ostendplatz sagte mir, dass Colms einen Vorführer suchten. Er meinte, es würde finanziell nicht reichen, mich im "Apollo" weiter zu beschäftigen. Die alte Frau Colm, Witwe von Willy Colm, hatte mich dann kennen gelernt. Sie führte die Geschäfte nach dem Tod von Willy Colm sehr erfolgreich weiter, das merkte man. Sie war eine Geschäftsfrau durch und durch. Sie sagte, wenn ich will, könne ich den Vorführerberuf bei ihr im "Planie" lernen. Wir waren uns also einig. Mein Anfang im "Planie" war allerdings recht beschwerlich. Das Planie fing morgens um 11 Uhr mit dem Spielbetrieb an, man hätte also um 17 Uhr Schicht machen können. Damals wurden die Vorführer nach Stunden bezahlt. Der dort bereits tätige Vorführer konnte bislang im gesamten Zeitraum zwischen 11 bis 22 Uhr als Einzelkraft recht viele Stunden schieben und sah mich als Konkurrenz und als Ursache für einen möglichen Verdienstausfall. Nach einiger Zeit, als der vorhandene Vorführer, der mich einlernen sollte, merkte, dass ich es schon hinbekommen würde, lud er Frau Colm ein, sich doch mal anzuschauen, wie ich eine Überblendung hinbekomme. Ich überblendete und bekam das Bild nicht mehr scharf. Das Objektiv war mit Öl eingeschmiert. Natürlich bekommt man mit einer ölverschmierten Linse das Bild nicht mehr scharf. Aber ich hatte ja noch nicht viel Ahnung, hatte auch noch nicht gezeigt bekommen, wie man etwa das Objektiv wechselt. Die Aufregung war groß, Frau Colm rief Herrn Locher aus dem "Atrium" sogleich mit hinzu, den erfahrensten Senior-Vorführer bei Colms noch aus der Anfangszeit. Im "Atrium" waren grundsätzlich immer zwei Vorführer im Vorführraum anwesend. Die damalige 70-mm-Technik bedingte, dass zwei Leute gut im Vorführraum beschäftigt waren. Neben Herrn Locher gab es im "Atrium" noch eine Vorführerin, Emma Eisenlauer, eine ganz pingelige, die ständig den Boden nass wischte, was den Kopien sehr gut tat: "My Fair Lady" lief durchgehend 16 Monate lang und die Kopie sah hinterher wie neu aus und ging im Anschluss nach Dresden. Herr Locher kam bei meinem "Vorfall" also aus dem "Atrium" herüber und entdeckte die Ölschicht auf der Linse. Der Vorgang blieb strittig, aber erst als die Sexfilmewelle Ende der 1960er aufkam, ist mein Kollege dann freiwillig gegangen, weil seine Mutter meinte, dass er verdorben würde, wenn er sich solche Filme ansehen muss. Ich habe das "Planie" dann anschließend alleine als Vorführer betreut, was ganz interessant war. Es gab für das "Planie" dann an der Wende zu den 1970-ern Umbaupläne und auch Gerüchte um eine bevorstehende Schließung. Dann wurde das "Planie" Anfang der 1970er-Jahre tatsächlich als Kino geschlossen. Das "Planie" war eigentlich ein Mehrzwecksaal mit Mehrzweckbühne gewesen, wo auch Konzerte statt fanden. Ein Konzert von Benny Goodman und auch Konzerte anderer Orchester mit Bühnenshow und exra Bühnenbeleuchtung fanden dort beispielsweise statt. Nach dem Krieg und der Bombenzerstörung gab es in Stuttgart noch nicht so viele Hallen. So hat man Konzerte und Bühnenshows gerne in großen Kinos veranstaltet. Willy Colm war nach Krieg einer der ersten, der von der US-amerikanischen Besatzungsmacht eine Lizenz für Kinobetrieb erhielt. Angefangen hatte Willy Colm dann mit dem "Planie", ursprünglich beherbergte das Gebäude ja früher mal ein Waisenhaus, und dieses Kino lief nach dem Ende der Kriegswirren recht schnell wieder. Was kriegsbedingt am Gebäude kaputt war, wurde halt mit Beziehungen repariert und nach der Währungsreform brachte es dann Umsatz in harter Währung. Das im angemieteten "Planie" verdiente Geld steckte Colm dann in den Erwerb der Immobilie "Haus Atrium" in der Kronprinzenstraße, Ecke Lange Straße, sowie in den Aufbau des "Atrium" als Kino. Anfang der 1950er-Jahre wollte man halt neben der deutschen Heimatfilmwelle eben auch mal was anderes sehen und Colm bediente diesen Bedarf im "Planie" anfangs vorwiegend mit Western und Abenteuerfilmen. Das andere Stuttgarter Kino, das diese Art amerikanische Ware lieferte, war das "Metropol", das zudem eine prächtige Bühnenshow mit Orgel und Zauberkunst-Einlage vor den Hauptvorstellungen präsentierte. Bemerkenswert am "Planie" war, dass es im Keller einen Stromgenerator gab. Nach dem Krieg war das Stromnetz nicht immer stabil, so konnte man auch bei Stromsperren den Kinobetrieb wie auch die Beleuchung der riesigen, gemalten Kinoplakate sichern. Als ich Mitte der 1960er-Jahre bei Colms anfing, war ich bei den "Atrium"-Mitarbeitern "nur" der Vorführer vom "Planie". Demgegenüber war das "Atrium" etwas ganz Besonderes. Man durfte im "Atrium" als "Kollege aus dem Planie" zwar schon mal besuchsweise in den Vorführraum hinein schauen und sich alles ansehen, aber anfassen durfte man dort nichts. Die Technik dort stand "unter Kuratell": Die Vorführer im "Atrium" ließen niemand fremdes an "ihre Anlage" ran, haben sich dort auch sehr mit ihrer Technik identifiziert; man kann sagen, waren schon fast selbst der Projektor. Und das war auch gut so; das Qualitätsniveau der Vorführungen war excellent.

Joachim Polzer: Wenn man sich allerdings die Dias betrachtet, die etwa Hans Hänssler vor dem Umbau des Gebäudes von der Straßenfront des "Atrium" anfertigte, dann sieht das Gebäude eher unscheinbar und fast abweisend aus.

Detlev Mähl: Das stimmt, aber auf der anderen Seite war es so, dass es zur Straßenfront hin riesige gemalte Kinoplakate gab, in denen die besondere Bildwirkung der Filmverfahren wie "Camera 65" bei "Ben Hur" oder "Todd AO" mit Mehrkanalton groß dargestellt, groß "herausgehängt" und deutlich hervorgehoben wurde. Man hatte auf Colms Seite recht früh erkannt, dass man mit der Wirkung der großen Bilder ein gutes Geschäft machen kann und dass auch der technische Neuheitenreiz ein Verkaufsargument war. Und die Kinogeneration damals kannte eben die Wirkung der großen Bilder des Kinos und sie haben es entsprechend honoriert. Von der Bildwirkung her, gerade bei 70-mm-Präsentationen, war das "Atrium" der reinste Wahnsinn; man meinte, man sitzt mitten drin im Geschehen.

Joachim Polzer: Ich kannte das "Atrium" ja erst nach dem Umbau und der Sanierung, die im Jahre 1974 statt fand. Du kanntest es ja noch in seiner ursprünglichen Gestalt.

Detlev Mähl: Die Lage war so: Das "Planie" wurde geschlossen und Colms fragten sich: "Was machen wir mit dem Mähl?" Den steckten sie dann in's "Atrium". Bei den Vorführern im "Atrium" stand ein Generationswechsel bevor. Frau Eisenlauer ging in Pension; Herr Locher hatte einen Betriebsunfall und arbeitete nurmehr als Kartenabreißer. Nach rund 20 Jahren Betrieb stand im "Atrium" eine Sanierung an und zudem setzte von der Ufa-Kinokette ausgehend der Trend ein, große Kinos zu parzellieren. Die Schachtelkino-Welle der 1970er-Jahre kam ins Rollen und man baute in so manchen Kinos sogar in die Toilettenräume noch ein kleines Kino ein. Es hieß ja eine Zeit lang, dass Heinz Riech, als er von Bertelsmann die Ufa-Kinokette übernahm, die deutsche Kinobranche gerettet habe. Es war aber letztlich nichts anderes als der Versuch, ein überreichliches Angebot an Filmen im Kino zu schaffen. Statt auf "große Bildwirkung" wurde nunmehr plötzlich auf "allgegenwärtige Präsenz" aller aktuellen Filme in möglichst vielen Innenstadtkinos gesetzt. In Wahrheit aber wurde jedoch dem Kino mit der Parzellierung großer Säle in mehrere Schachtelkinos die eigene Substanz entzogen: nämlich die Macht der großen Bilder.

Joachim Polzer: Man meinte in der Schachelkino-Bewegung durch eine Ausweitung des Programmangebots sich jeweils Marktanteil sichern zu können am "Point of Sale", wenn Leute eben an einem bestimmten Ort in der Stadt ins Kino gehen. In den 1970er-Jahren setzte eine Zeit des programmlichen Umbruchs im Kino ein, in der nicht mehr klar und deutlich war, was als programmlicher Trend an der Kinokasse gut und vor allem sicher läuft. Bestes Beispiel dafür war der Unglaube innerhalb der Centfox an den möglichen Erfolg von "Star Wars". "Bond" und Katastrophenfilme liefen gut, aber plötzlich dieser Riesenerfolg von "Einer flog über das Kuckucksnest". Mit dem "weißen Hai" setzte ein neues Marketingkonzept ein, dass daraus allerdings in den 1980er-Jahren der solitäre "Blockbusterfilm" wurde, dass lag damals noch in einer nebulösen Zukunft. Erst Ende der 1970er-Jahre überstieg die gleichzeitig bei einem Kinostart eingesetzte Kopienanzahl die Marke von 400 in Westdeutschland. Man zog einfach das arithmetische Mittel der Mischkalkulation: irgendwas läuft immer und der "Überlauf" geht einfach in einen anderen Film im anderen Klein-Saal. Wenn die Leute eben abends unbedingt ins Kino wollen, soll man ihnen einfach viel "Futter" anbieten. "Futter" aus dem Trog statt "Gastmahl" des Besonderen, so könnte man den damaligen Paradigmenwechsel im Kino bezeichnen.

Detlev Mähl: Und das "Futter" wurde ja auch angenommen. Aus heutiger Sicht ist es schon fast unvorstellbar: aber es hat in den 1970er- bis zum Anfang der 1990er-Jahre finanziell funktioniert und sich bewährt. Das ging gut bis zur Ankunft der Multiplexe, als man die Macht der großen Bilder wieder entdeckte. Nachgemacht hatte den Schachtelkino-Trend praktisch jeder, der ein großen Kino hatte, mit ganz wenigen Ausnahmen.

Joachim Polzer: Für das "Atrium" bedeutete dies zunächst, dass der Balkonbereich abgetrennt wurde und zum "Bambi im Atrium" mit knapp 200 Plätzen wurde. Später entdeckte man im "Haus Atrium" die Tiefgarage und baute dort das "Bambi 2" mit knapp 100 Plätzen ein. Ganz zum Schluss wurde der Bar-Bereich im ersten Stock vor dem Eingang des "Bambi 1" entfernt und daraus dann das "Bambi 3" mit der damals in Stuttgart berühmt-berüchtigten, an allen vier Seiten abgeschrägten Leinwand. Aber ich habe mit Dir von 1975 bis 1980 ja noch die gute Zeit mitbekommen, als die Colm Filmtheaterbetriebe sich den Theaterleiter Jochen Höfer engagiert hatten, der dem damaligen Jungen Deutschen Film und dem Programm-Repertoire des "Filmverlag der Autoren" in Stuttgart mit dem "Bambi" und im "Delphi" eine Heimstätte gab. Ich fand damals Filme wie Hark Booms "Nordsee ist Mordsee" oder Rainer Kunzes "Die wunderbaren Jahre" als ziemliche Bereicherung des Kino-Programmangebots in Stuttgart. Du mochtest diese Art von Filmen ja nicht so besonders?

Detlev Mähl: Ich bin mit dem Hollywood-Film groß geworden. Und die deutsche Ware der damaligen Zeit, das waren mir zu viele Probleme auf einmal. Die Zuschauer, die da dann reingehen, die sehen sich dann quasi selber. Wer will das schon sehen? Kino ist Unterhaltung, ist Traum. Das deutsche Kino der damaligen Zeit hatte sich schon sehr abgegrenzt zum amerikanischen Film mit seinen Qualitätsstandards.

Joachim Polzer: Aber es gab im "Atrium" noch den großen Saal mit knapp 400 Plätzen. Der Saal war vom Platzangebot nicht besonders groß, aber es gab dort trotzdem ein gigantisches Kinoerlebnis. Warum eigentlich?

Detlev Mähl: Die Zuschauer saßen dicht vor der leicht konkaven Leinwand, die Wirkung für das Auge war ganz hervorragend. Die Tiefe des Saals war in etwa genau so lang wie seine Breite. Der Saal wirkte durch den abgetrennten Balkon zudem eher noch breiter in einem Raum, der in etwa quadratisch angelegt war. Durch die Betrachtungsnähe des Zuschauers sah die Leinwand riesengroß aus, war aber in Verhältnis zu anderen Kino-Palästen keine besonders große Leinwand mit ihren knapp 15 Metern Breite. Das "Atrium" zeigte jedes Mal auf's Neue, dass Leinwanderfahrung relativ ist, wenn Zuschauer relativ nahe zur Leinwand positioniert sind und ihren diese dichte Leinwand eben sehr groß erscheint. Das kann man dann tun, wenn die projizierte Bildqualität gut bis sehr gut ist.

Joachim Polzer: Die Akustik im "Atrium" erreichte fast den Standard von Mischstudios.

Detlev Mähl: Ein langes oder sehr hohes Kino bekommt leicht Nachhall; diese Erschwernis hatte das "Atrium" nicht. Heute ist die Audiotechnik ja soweit, dass man auch akustisch kritische Säle recht gut in den Griff bekommt. Aber damals hatte das "Atrium" bei der Audio-Technik eben diesen architektonischen Vorteil; die Wände waren zudem textilbehangen. Meine Bemühungen waren zum damaligen Zeitpunkt, dass ich alle Literatur zum Thema verschlang und so fachkundig wurde, um meinen Chef überzeugen zu können, dass man die Technik so weit bringt, dass es einfach gut klingt. Ich bemühte mich auch, Einstell- und Testfilme zu bekommen, um die Anlage eben entsprechend gut hinzubekommen und auf hohem Niveau zu halten. Digitale Meßgeräte und parametrische Spitzen-Equalizer waren damals ja noch Zukunftsmusik; ein gutes Gehör half manchmal auch weiter.

Joachim Polzer: In der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre hatte man auch nach dem Umbau im "Haus Atrium" durch Sommer-Reprisen und Sommer-Filmreihen nochmals die Möglichkeit, sich das damals noch verfügbare 70-mm-Repertoire im Original-Filmformat ansehen zu können, meist in überlieferten Erstaufführungs-Kopien, die oft noch vom Original-Negativ gezogen und farblich nach zehn bis zwanzig Jahren mehr oder wenig noch ganz farbstabil waren. Das waren wirklich andere Zeiten. Heute gilt als Erstaufführungsfenster im Kino eine Spielzeit von drei Wochen; Film-Kopien sind nach einem Jahr oft nicht mehr erhältlich.

Detlev Mähl: Man darf nie vergessen, dass damals die Vorführer noch aus einer anderen Generation kamen. Diese Vorführer kannten noch brennbaren Nitrofilm im Kino, dass man Filmstreifen eben besonders pfleglich behandeln muss, dass der Film eben nicht einreißt oder es zu Perforations-Rissen kommen kann. Die Vorführer hatten dabei eben noch eine andere, eine sorgfältigere Beziehung zu ihrem Material gehabt, weil sie brennenden Film und dadurch brennende Kinos noch kannten. Der Respekt vor dem Filmstreifen steckte noch in den Knochen, sozusagen. Die Projektoren mit ihren Laufrollen und ihrer Filmlaufbahn mußten sauber sein, wenn nicht, drohte Gefahr. Zu dieser Zeit war der Filmvorführer ein Beruf mit großer Verantwortung. Das änderte sich dann, als Mitte der 1970er-Jahre mit der Einführung der Filmteller-Anlagen für matrixbetreibenen "automatischen Spielbetrieb" und mit der gleichzeitigen Umstellung auf Schachtelkinos der Vorführerberuf zu einem Filmeinleger-Job in "Kino-Centern" wurde, gleichzeitig aber die "Alte Garde" langsam in Pension ging.

Joachim Polzer: Kannst Du Dich noch an den Umbau im "Atrium" von 1974 erinnern?

Detlev Mähl: Bei dem Umbau war ich voll dabei, hatte selbst auch mitgeplant und mit-realisiert. Es ging darum, die Bilder möglichst groß zu halten. Es gab zwar schon die kleinen Schachtelkinos, aber für diese kurzen Projektionsdistanzen benötigte man halt besonders kurze Brennweiten bei den Objektiven. Das Schwierige war nun, dass man das Verhältnis der Optik sowohl zur Leinwand als auch zur Filmbahn genau und exakt hin bekommt. Bedingt durch die kurzen Brennweiten fehlten die großen Toleranzbereiche bei der Schärfe, die nur die langen Brennweiten hatten. Also mußte es exakt stimmen, ansonsten traten immer Unschärfen auf. Das war immer ganz schwierig und aufwendig. Ich bin eigentlich in dieser Aufgabe ganz aufgegangen, weil mich immer Details sehr störten, die ich verbessern wollte. Das war eine Beschäftigung mit liebevoller Zuneigung. Dass es dann so einen kleinen Kreis von Fans des "Atriums" gab, wie Dich oder andere auch, die den Kontakt zu mir suchten, dass war dann schon eine gewisse Befriedigung für den ganzen Aufwand, -- dass es also Leute gab, die die kleinen Unterschiede im Kino und seiner Technik bemerkt und goutiert haben. Es war sehr schön, dort einen Job zu machen, den man liebte und den man einfach gut bewerkstelligte und wo sich auch Erfolge zeigten.

Fortsetzung folgt.

Bildnachweis: Joachim Polzer

Sonntag, 4. Oktober 2009

Stuttgarter Kinogeschichten. Leben live im Kino: Detlev Mähl im Gespräch mit Joachim Polzer, Teil 1

Joachim Polzer: Wir haben uns 1975 in Stuttgart kennen gelernt, das war vor fast 35 Jahren. Wir wollen in diesem Gespräch einmal auf diese Zeit des Kinos in den ausgehenden 1970er-Jahren und die Entwicklung danach näher eingehen. Aber fangen wir doch zunächst einmal mit Deiner Herkunft an, also mit etwas, was uns damals, wo wir alle mit und im Kino so beschäftigt waren, nur sehr am Rande beschäftigt hat. Wie kamst Du in die Kinoszene von Stuttgart hinein? Waren Deine Eltern Schwaben?

Detlev Mähl: Meine Mutter stammte aus Freiburg, war also badisch. Mein Vater kam aus Mecklenburg, arbeitete im Dritten Reich bei Peenemünde und wurde dann von den Alliierten "mitkassiert".

Joachim Polzer: War er Teil der Raketenforschung der Nazis?

Detlev Mähl: Ja, irgendwie war er daran beteiligt. Ich habe aber nie genau Aufklärung darüber bekommen. Er kam dann irgendwann angeschlagen aus der Gefangenschaft zurück und starb danach bald. Meine Mutter hat sich wieder verheiratet, bekam ein neues Kind, aber der zweite Mann verunglückte tödlich; so heiratete meine Mutter dann zum dritten Mal. Die Familie meines Vaters war sehr vermögend; meine Mutter war 45 Jahre jünger als mein Vater. Ich bin 1943 geboren; meinen Vater habe ich eigentlich nicht bewußt kennen lernen können. Nach den Kriegswirren bin ich in Niederbayern aufgewachsen, in Eidelbach bei Vilshofen. Ein Onkel von mir hatte dort eine Gastwirtschaft und machte aus dem Tanzsaal ein Kino. So bin ich in frühen Jahren ins Kino reingekommen. Im Tanzsaal wurden die Stühle fixiert, vorne auf der Bühne wurde eine Leinwand installiert. Es war nicht so komfortabel wie in den anderen umliegenden, richtigen Kinos, die dann recht bald in den 1950er-Jahren auch mit CinemaScope und 3-D anfingen, aber es hat Freude gemacht. Bei uns lief dann ab etwa 1950 "Schwarzwaldmädel" und dann mit Errol Flynn "Leichte Kavallerie". Und von meinem Onkel habe ich dann die einzelnen Verschnittbildchen bekommen, die im Vorführraum angefallen sind. Die habe ich dann jahrelang gesammelt. Auch ein Kinderkino wurde in unserem Kino angeboten, bei dem ein Kinoerzähler Standbilder auf die Leinwand geworfen hat.

Joachim Polzer: Bei Dir setzte also mit acht, neun, zehn Jahren ein sehr frühe Kinobegeisterung ein?

Detlev Mähl: Kann man so sagen. Ich durfte zwar nicht in jeden Film rein, weil der Pfarrer vorne die Filme entsprechend zensierte. Also ein Kuss war schon eine "Drei". Und eine "Drei" war nicht jugendfrei. Auch bei "Zwei" durften Kinder nicht rein, nur bei "Eins", das waren dann meist die Walt-Disney-Filme.

Joachim Polzer: Es gab in Niederbayern also eine lokale Filmzensur?

Detlev Mähl: Ja und die lag in den Händen des Pfarrers.

Jochim Polzer: Wie kam die Familie von Peenemünde nach Niederbayern?

Detlev Mähl: Mein Vater hat das noch arrangiert. Durch die Fliegerangriffe waren ich und meine Mutter gefährdet. Wir lebten damals in Berlin und mein Vater hatte in Niederbayern bäuerliche Verwandtschaft. Er arrangierte das dann, das wir zusammen mit meiner Oma nach Bayern übersiedelten. Als Kind hatte ich dort eine tolle Zeit. Es gab immer was zu Essen und das reichlich. Es hat im Alltag auch sehr lustige Erlebnisse gegeben. Wenn reiche Bauern geheiratet haben, dann wurde das ganze Dorf eingeladen und ein großes Fest gefeiert. Und der Pfarrer mochte mich auch ganz gern. Wie gern, das ist eine andere Sache. Auf jeden Fall erzählte er mir dann auch so Geschichten von Untoten, was mich immer ganz begeisterte. Zur damaligen Zeit gab es ja noch die "Bittgänge". Man ist zum Beispiel, wenn es im Sommer nicht geregnet hat oder es zu wenig Sonne gab, zum Wallfahrtsort Altötting gepilgert, weil man hoffte, wenn man zu Fuß diese Wegstrecke von 50 bis 60 km geht, es dann eine Wendung zum Besseren gäbe. Dafür mußte jemand in der Frühe das Dorf wecken. Die Aufgabe hat der Pfarrer dann auch mal mir aufgebürdet. Ich wollte dann des Morgens die Glocke ziehen, aber es war kein Seil mehr dran; es gab wegen eines Seilwechsels an der Glocke nur eine ganz kleine Glocke, die einsatzfähig war und die sollte ich dann läuten. Aber wie ich dann in dem halbdämmrigen Licht nach oben kam, sah es so aus, als stünde und bewegte sich da ein Gespenst. Durch meine Phantasie, angeregt durch die Geschichten des Pfarrers, erschien mir das sehr real. Ich bin dann schnell zum Pfarrer runter gerannt, der mir entgegnete: "Das kann gar nicht sein, mein Sohn." Ich sagte: "Doch!" Er ist dann hoch gegangen, kam wieder zurück und sprach: "Du nimmst das Kreuz und gehst voran! -- Wenn da oben der Böse ist: Du bist ein unschuldiges Kind. Dir wird er nichts tun!" Ich bin dann voraus gegangen und in dem Moment hat das Ding uns umschlungen. Vor Schreck sind wir beide die Treppen heruntergefallen. Ich auf den Pfarrer drauf und wir haben uns beide nicht nur sprichwörtlich in die Hose geschissen, wenn ich mich recht erinnere. Später hat sich dann heraus gestellt, dass sich eine Riesenfahne, die da oben im Geläut hing, durch den Wind bewegte, was im Dämmerlicht gruselig wirkte. Ich mußte ihm dann versprechen, dass ich zu seinen Lebzeiten diese Geschichte niemanden erzähle.

Joachim Polzer: Es kling ein wenig nach "Vertigo"...

Detlev Mähl: Später habe ich dann solche Filme sehr gern gemocht. Nur kam ich halt damals nicht hinein, von wegen Jugendschutz.

Joachim Polzer: Aus welchem Grund bist Du dann aus Niederbayern nach Stuttgart gekommmen?

Detlev Mähl: Meine Mutter hatte sich nach dem Tod meines Vaters wieder verheiratet und zwar nach Stuttgart mit einem Schwaben. Ich blieb noch eine Zeit lang bei meiner Großmutter in Bayern. Später hat mich meine Mutter dann nachgeholt, das war 1955 zur "CinemaScope"-Zeit. Die Oma meines neuen Vaters hatte in Gablenberg gewohnt. So sind wir zu ihr gezogen. In Stuttgart war es dann wie im Kinoparadies, weil man um 11 Uhr schon ins Kino gehen konnte. Der Eintritt kostete 50 Pfenning. Es gab ein kleines Kino in der Eberhardstraße, das hieß die "Flohkiste". Dort liefen dann alte Western und Filme mit Errol Flynn. So hat man den Filmkanon der B-Movies im Kino erleben können. In der Nachkriegszeit der fünfziger Jahre gab es noch viel gestaute Hollywood-Ware, die man in der Nazizeit nicht hatte exportieren können. Man zahlte einmal Eintritt und konnte so lange sitzen bleiben, wie man wollte. Den "Schwarzen Falken" habe ich so an einem Tag sieben Mal hinter einander sehen können.

Joachim Polzer: Du kamst irgendwann trotz Kinobegeisterung in eine weiterführende Schule?

Detlev Mähl: Ich bin dann in die Wagenburg-Schule gegangen. Die Familie eines Schulkamerads von mir aus einer Parallelklasse besaß ein Kino, das "Schauburg"-Kino am Stöckach. Der Vater des Schulkameraden war ein alter Kinofreak, von früh her schon, besaß in den Vororten weitere Kinos, in Sillenbuch und Heumaden etwa. Diese außerbezirklichen Kinos bekamen dann als "Nachspieler" durch die um sich greifende Motorisierung immer mehr Schwierigkeiten, weil die Leute lieber in die Stadt gefahren sind. Aus dem Stuttgarter Schauburg-Kino am Stöckach wurde dann später der Gutshof. Das Gebäude steht heute noch. In der Schauburg durfte ich dann auch mal in den Vorführraum gehen und ich fing an, neugierig zu werden. Ich kannte ja schon Kinobetrieb durch meine Zeit in Niederbayern. Aber ich kannte noch nicht die CinemaScope-Leinwand, die im Verhältnis bekanntlich sehr groß war. Kinos wurden damals erstmals nach der Leinwand gebaut, also nicht wie früher umgekehrt. Und das war sehr interessant für mich. Auch der Mehrkanal-Magnetton war neu für mich. Es fing allerdings damals schon an, dass CinemaScope-Kopien mit Lichtton ausgeliefert wurden. Wenn der Vorführer keinen Handumspuler hatte, sondern die Rollen mit dem Waschmaschinen-Motor zurück gespult wurden, haben sich Magnetfelder übertragen, die auf der Magnettonspur zu Brummen oder sonstigen Störungen führten. Beim dortigen Vorführer konnte ich so ein wenig lernen, durfte Rollen einlegen. Dabei hab ich mich ganz gut angestellt. Der Vater meines Schulkameraden sagte: "Ich hab im Sommer gar keinen Vorführer. Willst Du das nicht machen?" So ging ich dann mit 13, 14 Jahren daran, diese Sommervertretung zu übernehmen. Zu Hause hab ich dann nicht gleich die Wahrheit gesagt, sondern sprach vom "Schullandheim" als ich abends spät heimkam. Damals liefen in der Stuttgarter Schauburg drei Vorstellungsarten: eine Jugendvorstellung um 14 Uhr, dann die letzte Hauptvorstellung um 20 Uhr und dann um 23 Uhr eine Nachtvorstellung. Und in der lief damals "Dracula". Ich weiß noch ganz genau: In jedem Kino brannte die Notbeleuchtung, nur bei uns ist während "Dracula" diese Notbeleuchtung irgendwie ausgefallen. Als der Film dann zu Ende war, wollte keiner den Saal verlassen, weil es Draußen auch so stockdunkel war. Es hat sich keiner raus getraut. Als die Notbeleuchtung wieder anging, saßen die immer noch im Saal. So sehr hat die der Film mitgenommen.

Joachim Polzer: Über Deine frühe Tätigkeit als Vorführer hast Du damit auch die Kinosituation in Stuttgart von innen kennen gelernt?

Detlev Mähl: Klar. Du bist dann ja auch in die anderen Kinos gegangen, um mal einen Vergleich zu haben. Das "Gloria" an der Königstraße war dann auch irgendwann fertig und nach der Eröffnung sah ich dort dann deren Eröffnungsfilm "Porgy and Bess". Der war in 70-mm und mit 6-Kanal-Magnetton. Die Raumtonmischung, wenn die Schauspieler von Links sprechen eben auch der Ton von Links kommt und bei Bewegung der Schauspieler auf der Leinwand eben auch die Tonmischung dies mitführte, das fand ich ganz hervorragend. Ich konnte mir das allerdings nicht genau erklären, weil der 4-Kanal-Magnetton bei CinemaScope, den ich von der Schauburg her kannte, nicht so aufwendig gewesen war, weil dort die beiden Kanäle Halblinks und Halbrechts fehlten, was in der Pan-Pot-Sprachmischung zu Tonlöchern geführt hätte, wenn man die Sprachquelle beispielsweise von ganz Links nach ganz Rechts bewegen läßt. Als ich dann mit meinem neuen Wissen in meiner gemischten Klasse prahlen wollte und Mädchen mal zum Mitkommen animieren wollte, da lief der Film schon nicht mehr im "Gloria", sondern im "Cinema", dem kleinen Eckkino im Mertzgebäude am Schloßplatz. Das "Cinema" hielt ich damals schon für ein ganz übles Kino, von der Leinwand und von der Raumsiuation her. Und meine weibliche Kino-Begleitung, die selbst von der neuen Stereo-Schallplatte begeistert war, sagte dann: "Ich höre nichts von links, ich höre nichts von rechts, alles kommt aus der Mitte. Und Du hast mir auch was von einem riesigen Bild erzählt. Da stimmt doch was nicht! Was Du immer erzählst!" Ich konnte das dann nie bereinigen. Aber in Stuttgart gab es dann noch das "Atrium", das, wie auch das "Gloria", in den 1950er-Jahren entstand.

Joachim Polzer: Das "Atrium" und das "Gloria" waren in der Stuttgarter Innenstadt die eingeführten und repräsentativen 70-mm-Häuser?

Detlev Mähl: Ja, aber das "Atrium" war vor dem "Gloria" schon da. Das "Atrium" fing mit CinemaScope an und führte dann später mit Todd-AO die Breitwandtradition weiter. Der alte Herr Willy Colm hatte halt früh erkannt, dass man mit einer Investition in diese Technik eine tolle Wirkung erzielen kann und damit eben auch mehr Publikum bekommt. Der Vater meines Schulfreundes hatte dann in Cannstadt in der Augsburger Straße das "Panorama" als 70-mm-Filmtheater als ganz neues Kino mit einer riesigen Leinwand von über 100 Quadratmetern gebaut. Da das "Atrium" aber die Erstverträge hatte, konnte er nie gleich mitspielen. Bedingt durch die langen Spielzeiten im "Atrium" war es dann aber schon bald nicht mehr lukrativ. Zwar war das "Atrium" das Top-Kino in Stuttgart, aber der Vater meines Schulfreundes hatte durch Neigung und Können eben im "Panorama" noch das letzte Tüpfelchen als Vorführqualität herausgeholt, weil er eben mehr Interesse hatte. Das "Panorama"-Gebäude steht immer noch, das Kino gibt es nicht mehr, es sind jetzt Büros und Wohnungen daraus geworden. Damals war das Kino allgemein eine Goldgrube, in der man über die Jahre auch mit mittleren Betrieben Millionen verdienen konnte, was man heute eben nicht mehr kann.

Joachim Polzer: 1960 warst Du 17. Irgendwann war die Schule zu Ende...

Detlev Mähl: ... und dann ging es darum: "Was willst Du werden?" Ich hab im Schultheater bemerkt, dass ich ein gewisses Talent fürs Theater und für's Spielen habe. In Feuerbach gab es eine Art Bauerntheater. Der Leiter kam auf mich zu und sagte: "Du, ich brauch' jemand, der mir einen Depp spielt. Du kannst doch recht lustig sein, wie wär's also? Willst Du das nicht machen?" Ich habe das dann mit großem Erfolg gemacht. Die Leute haben über meine Bühnenleistung gelacht. Das Starhafte bekam man ja im Kino ganz gut mit. Das ging mir dann im Kopf so rum. Ein Schauspieler aus dem Staatstheater war auch dort und fragte mich, ob ich das denn nicht als Beruf oder professionell machen möchte. Es ging nach meinem Schulabschluss also um eine Aufnahmeprüfung zur Schauspieler-Ausbildung. Ich habe dann vor Dieter Eppler und Hans-Peter Hallwachs als damals aufstrebendem Jungschauspieler meine Aufnahmeprüfung recht gut bestanden. Ich habe die Klassiker recht lustig dargestellt, das lag mir und dafür hatte ich wohl ein gewisses Talent. Als ich die Tatsache der bestandenen Aufnahmeprüfung meinen Eltern erzählte, haben die mir allerdings recht schnell den Wind aus den Segeln genommen. Mein Stiefvater, der damals schon Fertighäuser mit dem Kapitalgrundstock meiner Mutter verkaufte, sagte dann zu mir: "Ich hab' mit Dir ganz andere Dinge vor! Du wirst mein Juniorchef, bekommst eine eigene Wohnung und ein Auto." -- Das hat er dann auch gehalten. Aber ich habe mich mit ihm dann doch nicht recht vertragen, weil ich merkte, dass das, was er mir als meine Zukunft versprochen hatte, nicht einhalten wollte. Und ich merkte auch, dass es sich auch privat ganz anders darstellte: So eine Berufsaufbildung oder ein Studium des Stiefsohns kostet halt Geld und das steckt man doch lieber in ein eigenes Einfamilienhaus. Das Angebot zum Einstieg in die familiäre Firma war letztlich ein Versuch, Geld zu sparen. Meine Mutter hatte das wohl zu seiner Zeit nie ganz durchschaut. Sie hatte damals auch mehr Angst vor der Luftigkeit und Unstetigkeit des Bühnenberufs. Als das alles schlussendlich dann heraus kam, hat sie das wohl ziemlich getroffen. Mein Stiefvater hat mich zum Schluss rausgeschmissen. Ich stand dann 1962, 1963 ohne Berufsausbildung und ohne Job erst mal da. Ich versuchte zunächst, mein Netzwerk an Bekanntschaften in die Stuttgarter Kinos zu reaktivieren, um eine Beschäftigung zu finden. Die Filmvorführer in den Kinos waren in ihrer Tätigkeit damals ja recht einsam. Sie mußten in ihrer Vorführkanine bleiben und durften dort nicht raus. So freuten sie sich schon, wenn da ein Junge kam, der sich für ihre Materie interessierte. Man bekam technisch alles gezeigt und durfte auch mal einen Film einlegen; man durfte, wenn wenig Besucher in einer Vorstellung waren, auch mal selbst überblenden. Die Überblendung bei dem 600-m-Rollen-Betrieb durfte ja nicht schief gehen. So entstanden Bekanntschaften und auch ein Netzwerk an Leuten, das man bei einer Jobsuche einsetzen konnte. Aber dann kam mir der Bundeswehrdienst dazwischen. Ich mußte einrücken. Das kam zu meiner Situation auch noch dazu. Dort ist mir mein Hang zu Kino geblieben. Bei der Truppe hatten die so eine Art 16-mm-Feldkino und in Esslingen auch ein echtes 35-mm-Truppenkino zur Soldatenunterhaltung. Bei einer Nahkampf-Übung hatte ich mir die Schulter verletzt, klagte gegen den Bund und bin mit einer kleinen Rente entlassen worden. Um meiner Mutter nicht auf der Tasche zu liegen, fing ich wieder an, als Vorführer etwa im Gablenberger "Apollo"-Theater am Ostendplatz zu jobben. Die 600-m-Rollen konnte ich mit meiner ständig auskugelnden Schulter gerade noch stemmen.

Joachim Polzer: Du lerntest durch Deinen Schulfreund am Ende der 1950er-Jahre relativ früh zunächst mit Kinobegeisterung und dann nochmals am Anfang der 1960er-Jahre durch Deine berufliche Neuorientierung die Kinoszene in Stuttgart recht intensiv kennen.

Detev Mähl: Mit dem Aufkommen des Fernsehens und den ersten TV-Events, wie beispielsweise den Durbridge-Verfilmungen, bekam diese Boombranche am Anfang der 1960er-Jahre eine erste Flaute zu spüren. Wenn "Melissa" ausgestrahlt wurde, dann wurden die kleineren Filmtheater außerhalb der Innenstadt als erste an den Rand gedrängt. Die Innenstadt-Kinos waren davon weniger betroffen, etwa das "Universum" in der Königstraße 4. Das Universum lag dort, wo heute der Kaufhof steht. Oder das dort damals gegenüber dem "Universum" befindliche "Palast"-Kino in der Königstraße, nicht zu verwechseln mit den späteren Palast-Kinos, die zuvor schon und heute wieder Metropol-Kinos heißen. Das ursprüngliche "Palast"-Kino in der Königstraße war ein riesiger Barackenbau und stand an der Stelle, an der später das KFA-Kaufhaus gebaut wurde, das spätere, untere Hertie-Kaufhaus in der Königstraße. Am Kunstgebäude des Schloßplatzes war dann noch die "Kamera", quasi ein halbes Freiluftkino. Im Hauptbahnhof gab es das "Bali"-Kino am Westeingang des Hauptbahnhofs und im Hindenburgbau das "Rex"-Kino. Das "Gloria" war dann Ende der 1950er-Jahre das letzte Stuttgarter Kino, das speziell für 70-mm-Präsentation gebaut wurde. Als das "Metropol-Theater" in "Palast"-Kinos umbenannt wurde, konnten die dort ebenfalls 70-mm-Kopien spielen. Die gesamte Leinwand des neuen "Palast"-Kinos konnte nach oben weggezogen werden, so dass man den Saal auch weiterhin als Theater mit Bühne benutzen konnte. Bei der Eröffnung des Metropol-Palastes lief "The Alamo" von John Wayne, später auch "Der Untergang des Römischen Reiches" und "Onkel Toms Hütte" dort in 70-mm. Da das "Atrium" ständig durch langlaufende Filme, meist von MGM, ausgebucht war, liefen im "Gloria" 70-mm-Filme wie "Lawrence von Arabien", "Die Königin von Saba", "Lord Jim", "Flying Clipper" und "Der Kongress tanzt" und als Eröffnungsfilm eben "Porgy and Bess". Das "Universum" war damals das größte Kino in Stuttgart; dort liefen dann die ganzen "Karl-May-Filme" oder etwa auch "Ein toller Käfer" und "Spiel mir das Lied vom Tod". Im "Universum" liefen die Filme allerdings nur wenige Wochen lang, während im "Atrium" die 70-mm-Kopien von "Doktor Schiwago" oder "Ben Hur" zum Teil auf 12 bis 16 Monate Spielzeit kamen. In der Calwer Straße gab es dann noch die "Calwer Lichtspiele". Das war insofern interessant, weil dort der Film "Der große Regen" gezeigt wurde. In einer Vorstellung, samstags, das vergesse ich nie, tropfte es -- sehr passend zum Film -- vom Flachdach aus in den Zuschauerraum. So etwas ist dann immer Leben live im Kino.

Fortsetzung folgt.

Bildnachweis: Jochim Polzer

Freitag, 2. Oktober 2009

Eine "Zukunft des Kinos" mit Straub-Huillet

Am Berliner Zoofenster wird gebaut; das Schimmelpfennig-Haus ist fast weg und am Zoobogen (einschließlich Zoo-Palast) steht die neue architektonische Planung (und wird nächste Woche wohl veröffentlicht). Inwieweit die öffentliche Bauplanung von Charlottenburg den Zoo-Palast mehr als nur in seiner architektonischen Hülle retten kann, sondern auch funktional, als Kinobetrieb, wird die Zukunft erst zeigen können.

Die Pressestelle der Berliner "Akademie der Künste" (AdK) informierte mich heute über die am 16. und 17. Oktober bevorstehende Tagung "Zukunft Kino II - Digitale Kinematographien" im Akademie-Haus am Hanseatenweg in Tiergarten.

Eine Tagung "Zukunft Kino" zu nennen, in der es vor allem eben nicht um die gegenwärtig tobenden Kämpfe in den Kinos um ihre eigene Zukunft geht (mit Distributoren, die keine Filmstreifenkopien mehr ziehen wollen und die die Kinos damit zur Zwangsdigitaliserung nach US-amerikansicher DCI-Norm zwingen wollen -- Kämpfe aber auch mit öffentlichen Förderinstanzen, die meinen, durch Abhängigmachung mittels Darlehen etwas Gutes zur Bewahrung der Zukunft von Kinos anzustellen, wenn Kinos damit in 24-Monats-Erneuerungszyklen gezwungen werden sollen), das halte ich - gelinde gesagt - für recht zynisch -- oder zumindest für sehr unbedarft und an der Realität vorbei, die sich eben auch nur zu gerne in zerebralen Reflektionen digital vaporisiert.

Gehen soll es bei der AdK-Tagung um feuilletonistische Allgemeinfragen rund um Filmvermittlung, Filmfinanzierung und Werkdistribution in Online-Medien, um die Digitale Kinematographie, die im Werkbeispiel "Waltz With Bashir" keine mehr ist (sondern Animation) und um den gegenwärtigen Turbo der Kinodigitalisierung, 3-D, der in einem Beitrag von Seeßlen/Metz diskutiert werden soll unter dem Titel: "Die erweiterte Kinematografie – 3D-Kino oder die Auflösung der Bilder? - Das Bild bezahlt seine universale Marktgängigkeit mit dem hohen Preis seiner Auflösung. Auch das stereoskope (3D) Bild wird das Kino nicht retten."

Helfen kann hier wohl nur die Rückbesinnung auf das kinematographische Sehen und Hören, wie "Höhlenmenschen und Kinder" es im und am Werk von Straub-Huillet lernen können. Eine umfassende Einführung in das Werk von Sraub-Huillet gibt Daniel Fairfax aus Sydney in seinem aktuellen und sehr lesenswerten Beitrag für "Senses of Cinema", Ausgabe 52. [Stand: FIRST PUBLISHED 6 September 2009 - LAST CHANGES 29 September 2009]

Das Werk von Straub-Huillet öffnet sich und wird zugänglich, wie Fairfax schildert, vor allem auch durch die im Entstehen begriffene, französischen Gesamtausgabe auf DVD. Inwieweit die Vergangenheit des Kinos die Basis für eine Zukunft des Kinos sein könnte, wenn die historischen Werke einem individualisierten Konsum zur Verfügung stehen, steht dahin.

Dem Verlust des Monopols der hochqualitativen und großen Bilder, der seit den ersten CRT-Röhren-Videobeamern langsam eingetreten ist und nunmehr durch überall eingesetzte Großdisplays (vom Wohnzimmer bis zu Häuserwänden und Bankfilialen) zur wahren Inflation, Entwertung der Bilder und Töne geworden ist, kann letztlich nur durch zwei Modi gelenkt werden. Der eine Modus verweist auf das Museum und die historische Aufführungspraxis und der andere Modus zeigt in die diametral andere Richtung: auf die Wieder-Lebendigmachung des als wertig Erkannten durch soziale Prozesse.

Dem Werk von Straub-Huillet würdig wäre ein Bayreuth, dass auch in Überlingen, Romanshorn und Lindau zu Hause sein könnte. Ein Ort der Auseinandersetzung abseits der kulturellen Hyperkonkurrenz des Kulturmarktes und passend zum konzisen aber auch landschaftlichen Blick, gezogen ohne Kinobild-Monopol aber getragen von einem Publikum, dass sich sammelt, um ein Werk und eine Idee. Das Kino wird nach dem Zusammenbruch des Mainstream nur als Alternative in jeder Hinsicht und jeder Form mit eben auch alternativen Form-Inhalten sich seine Zukunft selbst erarbeiten können, und zwar in Ausnahmefällen und als Randzone. Festival in diesem Sinne.

ATRIUM

Donnerstag, 1. Oktober 2009

Das WALT DISNEY FAMILY MUSEUM in San Francisco

Die NYT bringt heute eine ausführliche und detaillierte Rezension von Edward Rothstein zur am Donnerstag bevorstehenden Eröffnung des neuen WALT DISNEY FAMILY MUSEUM im Presidio von San Francisco.

ATRIUM

Sonntag, 20. September 2009

DVD, Blu-Ray und andere Raumfahrttechnologie der besonderen Art

Der sensationelle Erfolg, den die DVD seit ihrer Einführung in den US-Markt im April 1997 hingelegt hat, ist technisch -- was das Medium als Vertriebsplattform für AV-Content betrifft -- auf eine ideal zu nennende Co-Evolution begründet. Einerseits war die DVD-Video in ihren Spezifikationen gerade so avanciert, dass sie auf damals zeitgenössischer Hardware als Echtzeitmedium zu schultern war; andererseits in ihren Spezifikationen so beschränkt, dass seltsame, systeminhärente Inkompatibilitäten, wie ich sie derzeit mit Kauf-BluRay-Disks erleben muss, nie auftraten. Dass es immer mal Pressfehler gab und gibt: geschenkt: die DVD ist medientechnisch unser "Goldstandard".

Medientechnische Co-Evolution will hier heißen: ohne den "Spirit"-Filmabtaster -- einst eine Hervorbringung von Philips-Broadcast unter Verwendung von Kodak-Scanmodulen (letztlich als Abfall-Produkt des "Cineon"-Marketing-Fiaskos) -- ohne "Spirit" hätte schlicht das Qualitätsniveau an Bild-Material gefehlt, welches zum durchschlagenden Qualtitäts-Argument der DVD wurde.

Wir haben beim diesjährigen Globians Doc Fest Berlin erstmals von Filmemachern selbst gefertigte BlueRay-Recordables via handelsüblichen BlueRay-Playern als HD in 1080p eingespielt, mit großartigem Ergebnis in der Meinung der beteiligten Filmemacher. Um so seltsamer sind die Erfahrungen, die ich mit den ersten Kauf-BluRay-Disks gemacht habe.

Nicht nur, dass bei all den Regionalcodes inzwischen zu viel Gedränge bei den HDMI-Eingängen an Beamern entsteht, die man in 1080p auch mit HDMI-Switches nicht in Griff bekommt (weil bei 720p und 1080p von den Playern gleich alles auf Schwarz geschaltet wird), sondern es entstehen in der praktischen Handhabung auch die seltsamesten Effekte der systemimmanenten Verschleierungs- und Unterdrückungstechniken beim Blu-Ray-Standard.

Drei konkrete Beispiele:

Die zu Recht bislang stets über allen Klee gelobte "Criterion Collection" hat mit "For All Mankind" zum zwanzigjährigen Jubiläum des Mondfahrt-Dokumentarfilms von Al Reinert (und damit natürlich auch zum 40-Jährigen der ersten Mondlandung) eine wunderschöne HD-Neuabtastung und Restaurierung dieses in jeder Hinsicht sehenswerten Film-Essays bewerkstelligt. Leider lässt sich auf dem Sony-BluRay-Player (BDP-S550) mit korrektem Regionalcode "A" ausgerechnet bei diesem einzigen hochwertigen Criterion-Titel weder 720p noch 1080p als Darstellungsauflösung am Player aktivieren. Man muss bei dieser Disk die Auflösung zwangsweise auf 480p herunterschrauben, weil man sonst die systembedingten Verschleierungsmechanismen des BluRay-Standards sich in Echtzeit auf der Leinwand als komplett gestörtes und ständig zusammenbrechendes Bild ansehen kann. Das ist natürlich ein Aberwitz, wenn man diese ressourcenverschwendende Blu-Ray-Technologie künstlich herunter tunen muss, damit überhaupt etwas geht -- und es sieht auch nicht besser aus, als wenn man sich eine DVD kauft (die ja bereits auf SD-Auflösung vom HD-Master herunter gerechnet ist) und diese dann etwa mit einem Pioneer-Player auf 1080p herauf skaliert.

Eine diesbezügliche Eingabe und Nachfrage von mir an "Criterion Collection" wurde bislang nicht beantwortet. Man schweigt lieber. Wahrscheinlich ist es auch besser so. Man sollte keine Blu-Ray-Disks kaufen.

Zweites Beispiel (in der 40-Jahre-Wiederkehr-Hysterie der Mondlandung) die Blu-Ray-Disk "Man on the Moon -- with Walter Cronkite". Das ist das andere Ende der Skala: übrig gebliebene Fernsehdokumentationen mit Voiceover des gerade verstorbenen Cronkite in einer Qualität, die man auch auf VHS-Doppel-Longplay hätte verkaufen können. Immerhin 270 Minuten an Material von TV-Sendungen, die man in Europa als journalistisches Produkt noch nicht gesehen haben dürfte. Das hätte man aber auch in MPEG-1-Kompression auf eine einzige DVD bekommen, nur hätte man das dann eben nicht in einer blauen Amaray-Box getan. Urteil: Mogelpackung.

Drittes Beispiel: Gary Hustwits Dokumentarfilm "Helvetica", erschienen als Blu-Ray bei Plexifilm in New York City. Man kann dort die Hautunreinheiten der Talking Heads einzeln zählen, was mich beim Zuschauen sehr verwirrt hat. Anders herum: Mir ist die Blu-Ray fürs Heimkino zu scharf, wie zu scharfes Essen, das einem den an sich guten Geschmack übertüncht. Mit rund 2K-Auflösung bekommen die Filmemacher nun eine weitere Aufgabe als Edititoren ihrer Filme aufgebürdet: das Unscharfmachen ihrer Filme als künstlerisch-dramaturgische Aufgabe, auch partiell, um das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen. In "Helvetica" meine ich, bereits unscharf gemachte Bücherrücken im Bücherregal gesehen zu haben, was allerdings andererseits noch mehr die Pickel auf der Nase der Sprechenden und die Fettflecken auf der Brille geradezu extra betont.

Ob die Blu-Ray also ein Segen wird oder schon ein Fluch von Anfang an ist, wird man sehen. Fakt ist: Filmeanschauen ist anstrengend für Körper, Geist, Emotionen und Seele. 3-D noch mehr von allem, auch wenn man es richtig machen will. Die DVD als rundes Jahrhundertwende-Ding wird auf absehbare Zeit unser Goldstandard bleiben.

Der vor kurzem verstorbene Christian Bauer hatte es anlässlich der Diskussion zum technologischen Aufrüsten von SD auf HD im Dokumentarfilmbereich bei der Dokville-Tagung 2007 so formuliert: "Ich will es gar nicht sehen".

ATRIUM

Freitag, 4. September 2009

Die Berliner Kino-Ausstellung des Kinomuseum Berlin e.V.

Wie gut, dass die Freunde vom Kinomuseum Berlin e.V. jetzt aktiv werden,
nach einem ersten Vortrag beim jüngsten 5. Globians Doc Fest Berlin im August.

Aus der Pressemeldung von gestern:

EINLADUNG ZUR PRESSEKONFERENZ
am 8. September 2009 um 13 Uhr
in der ASTOR FILMLOUNGE, Kurfürstendamm 225, 10789 Berlin

Das Film-, Theater-, Musik-, Literatur- und Hörspielmagazin SPIRIT -EIN LÄCHELN IM STURM www.spirit-fanzine.de und KINOMUSEUM BERLIN E.V. www.kinomuseum-berlin.de laden herzlich zur Pressekonferenz mit gemeinsamen Veranstaltungen.

Im Foyer der ASTOR FILMLOUNGE die Ausstellung des neu gegründeten KINOMUSEUM BERLIN E.V.

“Raum der Illusionen: Fotoreisen durch Berlins vergessene Kinolandschaften"
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sowie die Filmvorführung von SPIRIT - EIN LÄCHELN IM STURM

“In den Schuhen des Fischers" - eine Oskar-Werner-Hommage anlässlich des 25. Todestages (Vorabvorführung einer Szene während des Pressekonferenz am 8. September 2009)

Der junge Verein KINOMUSEUM BERLIN E.V. verfolgt das Ziel, die historische und aktuelle Entwicklung des Kinowesens in seiner vielfältigen Ausdrucks- und Erscheinungsform zu erhalten, zu pflegen und weiterzuentwickeln, dabei auch seine gesellschaftliche Bedeutung zu fördern und die technischen, künstlerischen, sozialen sowie wissenschaftlichen Traditionen zu beleuchten.

Durch die Integration auch der privaten Sammlerszene werden dokumentarische und technische Materialien sowie deren Präsentation lebendig gehalten.

Elementar für den Verein ist die Durchführung von Filmbandvorführungen, Ausstellungen und Fachtagungen, eine begleitende Unterstützung bei der Restaurierung kinematographischer Erzeugnisse, insbesondere der Wissensvermittlung durch Herausgabe und Verbreitung kinobezogener Fachliteratur, die für die nachhaltige Existenz von musealen und kulturellen Institutionen des Kinowesens in Berlin sorgen.

Schwerpunkte der Arbeit sind die Erforschung der Filmtheaterbiographien, Architekturen und Programme sowie die technologischen Methoden und Ausdrucksmöglichkeiten einer Filmprojektion im kinematograpischen Raum: praktiziert durch Wiedergabe vorrangig von Filmbandoriginalen von Super 8 bis zum Breitfilm auf hochwertigen Bildträgern.
Selten, nie oder zumeist in formatentstellten Versionen gezeigte Filme wie “West Side Story", “Lawrence von Arabien", “Spartacus oder “Das Land des Regenbaums" sollten in den derzeit photographisch besterhaltenen Kopien gezeigt werden, welche seit Jahren oder Jahrzehnten in Berlin nicht mehr zu sehen waren.

Der Verein wird gemeinnützig tätig sein und steht für alle Interessierten offen. Die zukünftige Arbeit soll dann in Fachsektionen erfolgen, um Plattformen für die verschiedensten Interessenbereiche zu ermöglichen.

SPIRIT - EIN LÄCHELN IM STURM www.spirit-fanzine.de präsentiert zu seinem 25jährigen Jubiläum in Zusammenarbeit mit KINOMUSEUM BERLIN E.V. www.kinomuseum-berlin.de und der ASTOR FILMLOUNGE BERLIN http://www.astor-filmlounge.de/astor-film-lounge/historie/ eine Hommage anläßlich des 25. Todestages von Oskar Werner (13.11.1922 - 23.10.1984).

In der ASTOR FILMLOUNGE findet am Sonntag, den 25. Oktober 2009 um 11.00 Uhr eine Sondervorführung der zeitgenössischen 70mm-Roadshow-Kopie “In den Schuhen des Fischers" (“The Shoes of the Fisherman", USA 1968, Regie: Michael Anderson, Panavision 70) statt, mit einem der wohl bestechendsten Leinwandauftritte von Oskar Werner innerhalb der us-amerikanischen Filmindustrie.

Der charismatische Wiener mit der unverkennbaren Sprachmelodik, den Spencer Tracy als “besten Schauspieler überhaupt" bezeichnete, spielt den aufklärerischen Pater David Telemond, der im vatikanischen Konzil Repressionen seiner Glaubensfreiheit ausgeliefert ist. Auch Werners persönliches Credo, der Glaube an Werte dieser Welt, findet in jenem Film sinnfällige Entsprechungen. Produzent George Englund brachte ein herausragendes Schauspielensemble mit den drei größten Hamlet-Darstellern des 20. Jahrhunderts gemeinsam vor die Kamera: Oskar Werner, Laurence Oliver und John Gielgud. Nicht zuletzt beeindruckt in dieser utopisch angelegten Geschichte, die später Entsprechungen in der Realität finden sollte, Anthony Quinn als erster osteuropäischer Papst, Kyril Lakota.

Weitere Vorführungen von Werner-Filmen mit Rahmenveranstaltungen in Berlin sind bereits geplant: darunter die Truffaut-Klassiker “Jules und Jim" (1961) und “Fahrenheit 451" (1966), Anatole Litvaks neorealistisch inspiriertes Spionage-Drama “Entscheidung vor Morgengrauen"(1951), Karl Hartls Mozart-Epos “Reich mir die Hand, mein Leben" (1955) sowie Stanley Kramers Meisterwerk “Das Narrenschiff" (1964), für das Werner jeweils eine Oscar- und Golden-Globe-Nominierung sowie den New-Yorker-Kritikerpreis erhielt. Als Ehrengäste am 25. Oktober werden anlässlich der Vorführung von “In den Schuhen des Fischers" Oskar Werners Sohn Felix als auch Schauspielerkollegin Johanna Matz und die Oskar-Werner-Verehrer Klaus Maria Brandauer und Maximilian Schell eingeladen. Demnächst wird auch Marc Hairapetians Biografie “Oskar Werner - Genie zwischen Tag und Traum" erscheinen. Er hält auch die Einführungen zu den Filmen.

Das Team der Pressekonferenz:
Moderation: Marc Hairapetian,
Herausgeber SPIRIT - EIN LÄCHELN IM STURM, Ko-Autor “Oskar Werner - Das Filmbuch" (Filmarchiv Austria, Wien 2002)
Referenten: Jean-Pierre Gutzeit (Gründer und Vereinsvorsitzender KINOMUSEUM BERLIN E.V.), Uwe Borrmann (Geschäftsführer KINOMUSEUM BERLIN E.V.) sowie Joachim Kelsch (Schatzmeister KINOMUSEUM BERLIN E.V.)

Filmkopienrecherche/Archivgeber:
KINOMUSEUM BERLIN E.V.

Für Rückfragen steht Ihnen Marc Hairapetian unter 0173-4674457 oder unter hairapetian@gmx.de gern zur Verfügung.
Kartenvorbestellung in der ASTOR FILMLOUNGE ab 1. Oktober 2009. Eintrittspreis: 10 EUR. “Großes Kino - fairer Preis!".

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ATRIUM

Donnerstag, 3. September 2009

Bubacks Mörder

Doku-Schauen im Fernsehen ist zur Zeit recht spannend. So gestern Nacht die eilig vorgezogene Doku "Bubacks Mörder" in der Regie von Egmont R. Koch als SWR-Produktion. Dieses journalistische Glanzstück, gerade unter der heutigen Meldung des Tagesspiegel, arbeitete nur zu offensichtlich mit den Mitteln der Gegenaufklärung, wie sie Bröckers heute in seinem Blog als "limited hangout" bezeichnet. Großzüzig wird von sensationellen Zeitzeugen aus zwielichtigem Milieu zugegeben, was nicht mehr zu unterdrücken ist; die volle Argumentationskette (Tafelanschrieb von Sohn Michael Buback im Hörsaal) wird als vorhanden konstatiert aber nicht vermittelt, statt dessen werden Nebenargumentationen aufgeblasen durchpflückt und damit die Nichtdarstellung legitimiert. Der alte Karl-Eduard von Schnitzler hätte an dieser Sendung seine wahre Freude gehabt. Dass sich die Dokumentarfilmabteilung im Hause SWR inztwischen nicht mehr zu schade ist, als örtlich betroffene Anstalt zum Instrument der Gegenaufklärung zu werden, lässt tief blicken.

ATRIUM

Mittwoch, 2. September 2009

Maßlosigkeit und Formwille

Dass "24 Stunden Berlin" mit dem Gestaltungswillen zur Großmannssucht, und darin sehr berlinerisch, zwingend künstlerisch scheitern muss, war eigentlich von Vornherein klar. Dass man das argumentativ so auf den Punkt bringen kann, wie Christiane Peitz heute im Tagesspiegel, ist die eigentliche Kunstleistung zeitkritischer Auseinandersetzung. Allerdings gilt die Erkenntis von Susan Sontag "On Photography" aus dem Jahr 1977 auch im dokumentarischen Abbild in Ton und Bewegungsdarstellung, wonach erst die nachträglich verstrichene Zeit allen lichtzeichnerischen Schund auf die Thron der Verklärung hieft. Das dürfte nach den besagten 18 Jahren auch für dieses gesamt-archivierte Steinbruch-Material mit einer Archivartechnik im Experimentalstatus gelten, wie man in "Professional Production" der jüngsten Ausgabe nachlesen konnte.

ATRIUM

Dienstag, 1. September 2009

Nina Koshofer

Die Erstausstrahlung der Fernsehdokumentation "Sommer 39" auf arte hatte ich festivalbedingt versäumt, freute mich aber heute über die Wiederholungs-Ausstrahlung im WDR-TV -- platziert in der Nacht zum 70. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs. Die wechselseitige Spiegelung von erzählter und berichteter Alltagswahrnehmung, weitererzählt aus der hermeneutischen Haltung der Augenzeugen, der Berichtenden und Erzählenden, ihre sorgfältige multiperspektivische Auswahl, und die dagegen gesetzten Weltenläufe in der großen Politik fand ich in dieser sensiblen Balance sehr überzeugend. Das "literarische Zitat" als dramaturgische Konstante erinnerte mich ein wenig an die Meisterwerke von Ken Burns. Nina Koshofer, die für "Sommer 39" als Co-Regisseurin und Co-Autorin zusammen mit Mathias Haejntes zeichnet und außerdem die Tochter von Autor Gert Koshofer ist, hat sich mit dieser Produktion als gewichtige Stimme im Genre der geschichtlichen Fernsehdokumentation etabliert. Dass man in diesem Blog kein Fan von Bildbeschnitt historischen Klammermaterials ist (16:9 schlägt auch hier wieder ARD-konform gnadenlos zu), braucht nicht extra erwähnt zu werden. Wir werden es hier jedenfalls so lange erwähnen, bis dieser kulturellen Unart in den Redaktionsstuben Einhalt geboten werden wird. -- Weniger überzeugend fand ich in der Autorenschaft von Nina Koshofer hingegen 2007 den Elfteiler über "Die Juden - Geschichte eines Volkes", die mit puppenstubenhaftem Reenactment Sendeplätze füllte. Dass diese Art von kunsthandwerklicher Bebilderung möglichst bald selbst Gegenstand der Fernsehgeschichte werden wird, ist jedenfalls sehr zu hoffen.

ATRIUM

Montag, 31. August 2009

Horst E. Brandt, Regisseur der "Roten Kapelle" in DEFA-Sicht, gestorben

Wie man dem Nachruf von Ralf Schenk heute im Neuen Deutschland entnehmen kann, ist Hort E. Brandt, u.a. der Regisseur der DEFA-70-Produktion "KLK an PTX – die Rote Kapelle" bereits am 22. August verstorben. Es dürfte sich bei der "KLK an PTX" wohl um den seltenen Fall handeln, dass eine DEFA-70-Produktion sowohl das Filmformat als auch das Produktionsjahr (1970) benennt. Ich hatte vor einigen Jahren das Vergnügen, diese DEFA-Auseinandersetzung um den bürgerlichen NS-Widerstand in einer Sonderveranstaltung im Berliner Delphi als 70-mm-Präsentation einer BAFA-Archivkopie erleben zu können, wo sich die Entfaltung einer epischen Erzählform in epischer Länge als Breite kultiviert. Dass "Geschichte" dabei (und nicht nur dort) zu einer passend und zurecht gebogenen Dimension gegenwärtigen Lebens mutiert, war für mich die sehr anschauliche Lektion aus dieser Sichtung. Das letzte Autorenwerk von Brandt, die Buchveröffentlichung "Wir, die Bildermacher…" aus dem Jahre 2007 über die Kameramännder in der DDR, wäre sicherlich einmal einen Einblick und eine Einschätzung wert.

ATRIUM

Samstag, 29. August 2009

Der doppelte Rittberger der weltpolitischen Wende.

In jüngster Zeit häuften sich im Handelsblatt sowie in der FTD die Meldungen Chinas Engagement in Afrika betreffend. Aus diesen Berichten kann man eigentlich nur den Schluss ziehen, dass sowohl die langfristige Absicherung mit Rohstoff-Lieferverträgen wie auch der Einkauf von Agrarflächen im Großmaßstab ein gleichzeitiges Wetten auf Sieg und Niederlage des weltkapitalistischen Handelssystem bedeutet. Denn wenn die Einfachwette auf eine schnell realisierbare Industrialisierung daneben gehen sollte, bleibt immer noch die Subsidiärversorgung mit Nahrungsmitteln auf Walmart-Niveau. Gleichzeitig scheinen die überreichlichen Barreserven an West-Devisen in China einer Absicherung der explosionsartigen Schaffung einer kreditfinanzierten Binnennachfrage zu dienen, um sich vom "Exportweltmeister-Zwang" –– also einer ausschließlichen Abhängigkeit der ökonomischen Entflammung aus der Funktion einer verlängerten Werkbank für den Rest der Welt –– nur zu gerne zu verabschieden. Auch hier kann ein gleichzeitiges Wetten auf Sieg und Niederlage vermutet werden. Das Reich der Mitte kann also nicht verlieren, sondern eine wirkliche, ökonomische Weltkrise erst dazu benutzen, sich als neue Hegemonialmacht des Planeten nicht nur zu behaupten, sondern diese auch durchzusetzen. Je mehr Krise noch kommt (plötzlich, aber schnell), desto besser für die sich entfaltende weltpolitische Wende. Hieran zeigt sich, wie die staatlich negierte Denkkunst eines Konfuzius sich kulturell als Essenz diffundiert hat. Dagegen versucht man hierzulande im linearen Monodenkstil des 19. Jahrhunderts die Zukunft des 21. in Metternich'scher Manier zu befestigen. Na, denn, viel Glück dabei auch, vor allen Dingen bei der "geistig-moralischen Führungselite", den geistigen Kapazitäten, die sich morgen und in vier Wochen zur Wahl stellen! Den Abtransport der Nahrungsmittel aus Afrika nach Asien wird man wohl militärisch vor Ort absichern müssen, wie auch die Seewege. Was für eine hübsche Remineszenz an die Kolonialzeit! Ob die Rechnung freilich für China mit der Bauernschlauheit aus fünf Jahrtausenden aufgehen wird, dürfte das noch zu lüftende Geheimnis des 21. Jahrhunderts werden. Die Zeitqualität der einzelnen Jahrhunderte zielen in ihre jeweils eigene Richtung. Wenn die Arbeitshypothese bezüglich der zu großen Strukturen und die Frage nach der optimalen Größe statt nach unbegrenztem Wachstum die richtige ist, dürfte China in Rekordzeit einen Rhyrrussieg erwirtschaften. Insofern bleibt es spannend bei allem Orakeln und vor allem auch bei dem, was nach Aristoles menschliches Denkvermögen ausmacht, nämlich Vorwegnahme des Absehbaren: Antizipation. Bleiben Sie also dran!

ATRIUM

Donnerstag, 27. August 2009

"They’re never Sherlock Holmes."
Kimmelman über den "Tatort"

Es ist beruhigend zu wissen, dass auch in der New York Times das Sommerloch noch wütet. Kaum anders ist zu erklären, dass Michael Kimmelman in der NYT den werten Lesern heute die kulturgeschichtliche Bedeutung der ARD-"Totort"-Sendereihe als eine Art deutsches Küchenmöbel erklären darf. Dass die Erinnerung an TV-Schmuckstücke der 1970er- und 1980er-Jahre durch eine Inflationierung von Sendeplätzen mittels Imitaten zu verblassen droht, darf man den heute aufgeblasenen Psychodramen im Schleuderwaschgang anlasten. Deutschland als das Land mit der psychischen Dysfunktion. Am Schlimmsten sind dann die TV-Trailer, die einem diese Fiktion-Soße schon vorneweg erschauern lassen. -- Im "Taxi nach Leipzig" hatte man noch Zeit für "Stuttgart Blüten"; heute rascheln die Drehbücher nach Skriptdoktoren und Produktionsberatern, ein Schatteneffekt der ausdifferenzierten Produktionsindustrie mit ihren Ausbildungsarmadas. Ich muss dann immer hüsteln, weil man im Dialog das Drehbuch rascheln hört. Ein generelles Problem heutiger insbesondere deutscher TV-Fiktionen.

ATRIUM

Mittwoch, 26. August 2009

Was bislang geschah (1):
Abgänge der Titanen

Die Buchhaltung der Verstorbenen ist ja normalerweise eine Angelegenheit von Jahresrückblicken. Während unseres sommerlichen Dokumentarfilm-Intermezzos unter dem Banner der "Globians" kamen allerdings einige Abgänge vor, die auch außerplanmäßig des Festhaltens wert sind, im Wissen, was hier ein Abgang ist, eben dort zu anderen Zeiten und Orten ein Zugang darstellt.

Jürgen Gosch
Johannes Mario Simmel
John Updike
Maurice Jarre
Jack Wrangler
Fritz Muliar
Dom de Luise
Johanna "Clementine" König
Monika Bleibtreu
Barbara Rudnik
David Carradine
Karl-Michael Vogler
Ali Akbar Khan
Karl-Michael Vogler
Robert S. McNamara
Michael Jackson
Merce Cunningham
Bud Schulberg
Willy "Mink" deVille
Thomas von Randow
Haribo-Riegel, Paul Riegel
Toni Sailer

und dann die Oberliga der Titanen:

Karl Malden
Pina Bausch
Peter Zadek

Julius Schulman

Walter Cronkite & Donald "Don" Hewitt

Rolf Dahrendorf
Edward Kennedy

Peter Krieg sowie Christian Bauer


ATRIUM

Montag, 24. August 2009

Montag, 17. August 2009

Freitag, 14. August 2009

Donnerstag, 13. August 2009

Mittwoch, 12. August 2009

Dienstag, 11. August 2009

"I didn't see any posters in the city!"

MaxSteinkeStr



Friedrichstr>>>SchönhauserAllee

Angekommen beim Globians Doc Fest Berlin 2009!

Joseph Johnson Cami and Ayelen Liberona

The Berman crew arrives at Berlin-Tegel airport




Bildnachweis|photo credit: Globians Doc Fest Berlin

Filmregisseur Kevin Tomlinson aus Seattle (Washington, USA) ist der erste angekommene Gast des 5. Globians Doc Fest Berlin

Kevin Tomlinson (rechts im Bild), der Regisseur des Dokfilms "Back to the Garden – Flower Power comes full circle" (USA 2009), erreichte am Montag aus Seattle (Washington, USA) kommend via Amsterdam als erster Gast das 5. Globians Doc Fest Berlin 2009. Kevin Tomlinson stellt seinen Festivalfilm in Begleitung seiner Ehefrau Judy (2. von links) vor, einer Woodstock-Veteranin und zugleich die Ko-Produzentin des Films. Das "Hospitality-Team" des Globians Doc Fest Berlin bereits in Hochform: die Festival-Voluntärinnen Katja (2. von r.) und Herta (l) holten die beiden frühen Festivalgäste vom Berliner Hauptbahnhof ab.

Film director Kevin Tomlinson (r) arrived as first festival vistor to Globians Doc Fest Berlin 2009


"Back to the Garden – Flower Power comes full circle" läuft am Do., 13. August 2009 um 16.45 h im Kino Toni, Antonplatz.
Bildnachweis|photo credit: Globians Doc Fest Berlin

Globians doc fest Berlin
August 12 - 17, 2009
Kino Toni Antonplatz
www.globians.com

Donnerstag, 6. August 2009

5. Globians doc fest Berlin 2009
Medien-Berichte vom Festivaldurchgang

EXBERLINER, Zitty und tip-Magazin brachten in ihren aktuellen Ausgaben Vorab-Berichte zum demnächst bevorstehenden Durchlauf des 5. Globians Doc Fest Berlin. Der Tagesspiegel berichtet in seiner heutigen Ausgabe in einem Beitrag von Silvia Hallensleben vom Eröffnungsfilm "A Grain of Sand" des Globians Doc Fest. Zitat: "Das Globians doc fest ist dieses Jahr aus Potsdam ins Weißenseer Toni-Kino gezogen und macht sich mit insgesamt 58 Filmen für eine Kultur der globalen Kommunikation von unten stark. Engagement und Vielfalt sind garantiert."

Beim Deutschlandradio Kultur sind voraussichtlich zwei Festivalberichte vorgesehen. Einmal am Eröffnungsabend des Festivals, am Mittwoch, 12. August, kurz nach 19.00 Uhr in der Moderation von Jürgen Liebing und zum Festivalabschluss am 15. oder 16. August ein Festival-Fazit von Bernd Sobolla in FAZIT der KulturAktuell-Redaktion nach 23.00 Uhr. Auch das Kulturradio des rbb bringt am Mittwoch, 12.08. ein Porträt, diesmal eins über das Kino Toni in Berlin-Weißensee, also das Festivalkino des Globians Doc Fest. (Sendungen im rbb-Kulturradio zwischen 5.00 und 6.00 Uhr morgens und nachmittags zwischen 15.00 und 16.00 h als Wiederholung). –– "Stilbruch" und "Filmvorführer" sind im wohlverdienten Fernseh-Urlaub des Sommerlochs, das es bei Globians bekanntermaßen ja nicht gibt...

Globians doc fest Berlin
August 12 - 17, 2009
Kino Toni Antonplatz
www.globians.com

Dienstag, 4. August 2009

Saarland im Film.

Es freut natürlich, dass unsere Tagungsberichterstattung ein wenig zum Umdenken im Hause der SDK bezüglich einer Aufnahme des Saarländischen Filmarchivs in den erlauchten Kreis der film- und av-archivarischen Standes-Arbeitsgruppen bewirkt hat. Jedenfalls darf natürlich auch unser diesjähriges Festival-Highlight "Papa Bilong Chimbu" durch den zentralen Bezug zum Saarland als Abstammungsort von Johannes Nilles keinesfalls in der Sammlung des dortigen Filmarchivs fehlen...

Zuschrift aus dem Saarland.

Hallo Herr Polzer,

danke für den Hinweis auf den Tagungsbericht zur Stuttgarter Konferenz in Ihren Blog. Ich komme erst jetzt im Sommerloch dazu, mich dafür zu bedanken, daß Sie meine Wortmeldung als Vertreterin des Saarländischen Filmarchivs e. V. (SFA) als "Glanzpunkt dieser Diskussionsrunde" bezeichnet haben. Im Interesse des SFA will ich noch etwas im Blog-Text richtig stellen bzw. ergänzen; eigentlich sollte dies eine sehr kurze Mail werden, aber es gibt viel zu berichten:

Manchmal tut sich für das SFA überraschend etwas Positives. Unter dem jetzigen Künstlerischen Direktor der Deutschen Kinemathek, Dr. Rainer Rother, hat das SFA dankenswerterweise von dort bereits mehrfach wichtige Informationen und ideelle Unterstützung erhalten, vor allem durch Prof. Martin Koerber. Im Frühjahr 2009 wandte ich mich an das Netzwerk der deutschen Mediatheken mit der Bitte um Aufnahme des SFA, und dazu signalisierte mir kürzlich der Verwaltungsdirektor der Kinemathek, Dr. Paul Klimpel, man sei gerne bereit, das SFA aufzunehmen. Ich kann es beim nächsten Rundgespräch den Netzwerkmitgliedern vorstellen, was mich wirklich sehr freut!!! Das ist natürlich noch nicht die ersehnte Aufnahme des SFA in das Netzwerk der deutschen Kinematheken, aber doch ein wichtiger Anfang.

Natürlich ist es das medienpolitische Ziel meiner Arbeit, dem Saarland ein öffentlich-rechtliches Filmarchiv und medientechnisches Museum zu geben, aber dieses kulturpolitische Ziel sollte nicht verwechselt werden mit der bisherigen Realität, und dabei ist der korrekte Archivname wichtig. Das Archiv, das ich vertrete, für das ich forsche und publiziere, heißt leider noch nicht "Filmarchiv für das Saarland", sondern weiterhin Saarländisches Filmarchiv e. V. (SFA).

Der Bezug zu Honecker als VIP saarländischer Herkunft ist im Blog-Text nicht sinnvoll, denn Honecker verbindet rein gar nichts mit meiner kuratorischen Sorge um das regionale AV-Erbe, zumal er seit 1935 mit seiner Herkunftsregion nur noch selten zu tun hatte. Heutzutage ist der bekannteste Saarländer wohl eher Oskar Lafontaine, und er hat starken Bezug zur regionalen Filmkultur, denn als Saarbrücker OB zeichnete er kulturpolitisch verantwortlich für die hiesige Max Ophüls-Retrospektive (1980), und unterstützte auch als Ministerpräsident immer das aus der Retrospektive entstandene Filmfestival Max Ophüls-Preis, das 2009 sein 30. Jubiläum feiern konnte.

Es wurden im Blog versehentlich "1.000 Filmrollen" angegeben, tatsächlich hat das SFA aber schon ca. 1.000 Filme auf ca. 1.200-1.300 Film- und Tonspulen, in den Filmformaten 8mm bis 35mm sowie in mehreren analogen und digitalen Videoformaten. Die ältesten Filme der Sammlung stammen aus 1911 und sind internationale Raritäten. Die überwiegende Mehrheit der Filme ist professionelles Dokumentarmaterial, der geringere Teil Amateurfilme, ein sehr kleiner Teil Spielfilme. Hinzu kommen Fotos, Poster, Autogrammkarten, Kinowerbefiguren, Filmrequisiten, sowie Schriftgut (Programmzettel, TV-Produktionsverträge, Kinoakten, Filmzeitschriften...), außerdem 250 Kameras und Projektoren, 175 Tonträger, einige Partituren für Stummfilme, etc. Zusätzlich gibt es eine filmhistorische Handbibliothek von rund 750 Bänden.

Das SFA wurde bereits 1998 gegründet; es ist insofern kein "Neuarchiv". Weil es aber seit seiner Gründung keinerlei Budget hat, hat die SFA-Sammlung noch immer kein Zuhause, sondern wird provisiorisch auf ca. 100qm unklimatisierter Fläche in mehreren Magazinräumen des Landesarchivs des Saarlandes (LAS) gelagert. Dankenswert und kollegial anerkennenswert ist, daß die Direktoren des LAS seit 1999, Dr. Wolfgang Laufer bzw. inzwischen Dr. Ludwig Linsmayer, dies jeweils kostenneutral gestattet haben, weil beide die landeshistorische Bedeutung einer solchen Initiative kennen. Wegen des extrem knappen Lagerplatzes im LAS lagert nur der kleinste Teil der SFA-Sammlung in Regalen. Der größte Teil der Bestände muß verpackt bleiben, in rund 250 gestapelten Umzugskisten, Stapelhöhe bis 3,50m, Stapeltiefe bis 4m. Doch selbst dieses Provisorium wird künftig nicht mehr möglich sein, da die Platzreserven des LAS inzwischen völlig erschöpft sind. Die SFA-Bestände müßten eigentlich längst weg, man will uns aber auch nicht einfach hinauswerfen. Das Nitro-Filmmaterial des SFA lagert nicht im LAS, sondern an einem anderen Ort. Trotzdem ist die Situation im LAS sicherheitstechnisch inzwischen grenzwertig: Die SFA-Bestände lagern teilweise dicht an der Heizungsanlage, teilweise in einem Notausgang. Das sollte uns alle an die Archiv-Katastrophe von Köln gemahnen, die mit rechtzeitigem Geldeinsatz vermeidbar gewesen wäre.

- Der Double-Bind, an dem das SFA leidet, ist ein ausgewachsener Teufelskreis mit mehreren Ebenen:
Politisch verantwortlich für regionale Archivfragen, Forschung und historisches Kulturgut sind neben dem Landtag und der Regierung natürlich das Kultusministerium, teilweise auch das Umweltministerium. SFA-Anträge an alle Landtagsabgeordneten, an die Regierung sowie an das Kultusministerium wurden gestellt. Ich konnte Anfang 2008 ein Gespräch mit Europaminister und Staatskanzleichef Karl Rauber führen, anschließend auch Gespräche mit den drei Landtagsfraktionen (CDU, SPD, FDP). Die Bitte um ein zweites Gespräch mit Herrn Rauber hat er selbst im September 2008 gewährt, doch wurde von seinem Sekretariat bis heute kein Termin anberaumt; auch wird wohl vor Ablauf der Legislaturperiode keine schriftliche Nachricht mehr kommen. Der Landtag half dem SFA ebenfalls nicht. Im Sommer 2008 erhielt das SFA überdies zum wiederholten Mal negative Signale vom Kultusminsterium (Ministerin: Annegret Kramp-Karrenbauer). Diesmal grenzte die Absage an Zynismus: Man könne dem SFA leider weiterhin weder Räume noch institutionelle Förderung gewähren; falls ich aber Lagerräume aus Landesbesitz mieten wolle, könne ich das gerne tun; zu Preisen von 6,-Euro/qm aufwärts könne man mir mehrere Objekte anbieten. Ähnlich hilfreich verhielt sich im gleichen Zeitraum die dortige für Filmkultur verantwortliche Mitarbeiterin Frau Ruffing, die auf mein Angebot an das KuMi verzichtete, sich im persönlichen Gespräch erstmals über das SFA zu informieren; Juristin Ruffing muss eine autodidaktische Filmexpertin von besonders hoher Qualität sein, denn diese Wunschkandidatin der Ministerin wurde im Sommer 2008 weg von der hausinternen KuMi-Abteilung für Controlling direkt auf ihre neue Stelle befördert, wobei sie mindestens einem/r filmfachkundigen saarländischen BewerberIn vorgezogen wurde.

Weil das SFA keinen Status als öffentlich-rechtliche Landesinstitution hat, wird uns nicht nur im eigenen Bundesland ein Budget, fachgerechte Unterbringung und Amtshilfe der staatlichen Ebenen verwehrt. Auf Bundes- und EU-Ebene sind wir nicht einmal antragsfähig, wie es scheint: Das BKM jedenfalls hat nie reagiert auf ein von mir überreichtes Schreiben an die damalige Kulturstaatsministerin Christina Weiß (gebürtige Saarländerin!), die sich vor Jahren zu einem kurzen Tagesbesuch in Saarbrücken aufhielt. EU-Anträge kann das SFA ebenfalls noch bis auf Weiteres vergessen: Für EU-Kooperationen im Kulturbereich braucht man nämlich heutzutage ein gutes Dutzend Partnerorganisationen aus allen möglichen EU-Ländern. Es fehlt uns also der Zugang zu einigen nationalen und wie zu allen internationalen Kommunikations- und Kooperationsnetzwerken für Filmarchive. Beispielsweise kann das SFA nicht einmal beobachtendes Mitglied in der FIAF werden, weil selbst dieser mindere Status für uns viel unerschwinglich ist. Bei der FIAF gibt es schon Probleme mit den Formalien, denn das FIAF-Aufnahmeformular kennt gar keine Archive ohne Budget und ohne bezahltes Personal. Weil das SFA kein FIAF-Mitglied ist, verweigerte uns in 2000 der lokale Organisator des jährlichen FIAF-Kongresses in London, Clyde Jeavons, eine Ermäßigung bzw. den Erlaß der 200,- Pfund Anmeldegebühr zur jährlichen FIAF-Konferenz. Damals waren das rund 600 DM, hinzu kamen noch Anreise und Hotel. Seither tagte die FIAF auf ganz anderen Kontinenten. Ob das SFA in 2010 an der FIAFKonferenz in Oslo teilnehmen können wird, steht noch in den Sternen.

Weil uns Status, Geld und Mitgliedschaft in Netzwerken bislang fehlen, erfahren wir zu spät von Kooperationen, die in Netzwerken besprochen werden, also kann das SFA sich auch nicht daran beteiligen, selbst wenn wir so spannende Bilder zu bieten haben wie einen saarländischen Urlaubsfilm aus dem Spanien von ca. 1939-1940, das sichtlich vom Bürgerkrieg gezeichnet war, oder solche Raritäten wie die Kopie eines schablonenkolorierten Pathé-Films von 1911, von dem es weltweit nur drei fragmentarische Kopien gibt, davon eine im SFA. Ohne Kooperationsmöglichkeiten kann ich keine Projekt-Gelder für die Sicherung der wertvollsten Teile unserer Bestände beantragen, und weil ich immer nur sehr wenig aus den Beständen zeigen kann, kann ich keine effektive Lobbyarbeit machen, also keine Medien und keine Öffentlichkeit für unsere Arbeit interessieren. Weil ich keine Öffentlichkeit herstellen kann, ändert sich wiederum politisch nichts - nicht einmal Geld für das Design unsererer Webdomain ist vorhanden. Da das SFA ohne Budget auskommen muss, habe ich persönlich außerdem weitere Nachteile im Vergleich mit anderen LeiterInnen "offizieller" Filmarchive: Sie erhalten Gehalt, bekommen Dienstreisen bezahlt und haben einen Mitarbeiterstab. Oft werden sie von Veranstaltern von Filmkonferenzen und -festivals eingeladen, damit sie überhaupt hinkommen, während ich meistens vergeblich um Ermäßigung oder Erlaß der Akkreditierungen bitte, von Hilfe zu den Reisekosten ganz zu schweigen.

- Trotz alledem ist das SFA nicht aufzuhalten, denn ich hebe immer mehr filmhistorische Schätze:
Zur frühen Mediengeschichte Saarbrückens werde ich erstmals Ende September 2009 öffentlich in der Landeshauptstadt vortragen können; bereits seit 2000 arbeite ich für das SFA an einem Buch über das Frühe Kino im Saarland, dazu erforschte ich z. B. die komplette Produktionsgeschichte des ältesten erhaltenen regionalen Films, der Aufnahmen aus Saarbrücken zeigt. Ich konnte ihn eindeutig als Werk eines regionalen Wanderkinobesitzers identifizieren, und exakt neu datieren auf Ende Oktober 1904. Diesen Film, der beim diesjährigen Festival Il Cinema Ritrovato (Bologna) gezeigt wurde, halten namhafte Kollegen aus großen Archiven und von wichtigen Lehrstühlen in London, Bologna, Trier und Luxemburg noch immer irrtümlich für ein Werk einer Freiburger Kinokette aus 1909, denn so verkündete es der dortige Katalog; hätte man die europaweit verschickte SFA-Pressemitteilung vom 21. Dezember 12007 gelesen, wäre die peinliche Falschmeldung vermeidbar gewesen.

Vor wenigen Wochen ist es mir im Rahmen einer SFA-Auftragsarbeit für eine regionalhistorische Wanderausstellung der Stiftung Demokratie Saarland gelungen, zwei sehr wertvolle Minuten Filmmaterial wieder zu finden, die am 26. August 1934 in Sulzbach/Saar gedreht wurden. Es sind Wochenschauberichte, die man 75 Jahre lang verschollen glaubte, mit Aufnahmen von der größten antifaschistischen Zusammenkunft auf deutschem Boden, die im damaligen Saargebiet unter dem Motto "Nie zu Hitler" stattfand; dabei trafen 75.000 Menschen zum "Schwur von Sulzbach" zusammen. Diese beiden kleinen Juwelen von Wochenschaufilmen werden am 26. August 2009, exakt 75 Jahre nach dem Ereignis, erstmals wieder öffentlich in Deutschland zu sehen sein, anläßlich der Eröffnung der Ausstellung im Salzbrunnenhaus in Sulzbach, die am Jahrestag der Versammlung eröffnet wird.

Mit freundlichen Grüßen,
Gerhild Krebs

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SAARLAENDISCHES FILMARCHIV e. V. (SFA)
Geschaeftsstelle, Vors. Gerhild Krebs M.A., Assess'dL
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tel +49 - (0) 681 - 580 61 91
tel mobil +49 - (0) 170 - 95 28 786
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netz: www.filmarchiv-saarland.de [Stand 07/2009: SFA-Domain ist noch nicht aktiv]