Samstag, 9. Januar 2010

Dave Kehr über 3-D im Kino

Auch Dave Kehr hat sich gerade unter dem Titel "3-D’s Quest to Move Beyond Gimmicks" zum 3-D-Boom und "Avatar"-Durchbruch in der NYT geäußert, wesentlich 'softer' und oberflächlicher als Thomas Elsaesser, aber immerhin sehr skeptisch, ob es dramaturgisch gelingen wird, diese 'Technik der kleinen Schritte' im Erzählkino ohne Spezialeffekte – also etwa in Historiendramen, Komödien und anspruchsvollen Autorenfilmen – beim Publikum akkulturierbar zu machen.

Kehr hatte eine Woche zuvor bereits, ebenfalls in der NYT, seine Bedenken zum Verlust von weiten Teilen des Repertoirs durch den Technikwechsel von der DVD zur Blu-Ray (auch ganz ohne 3-D-Erweiterungen) niedergeschrieben. —— Unter dem Titel: "The Ballad of Blu-ray and Scratchy Old Film" befürchtet er eine erneute Einengung des überlieferbaren Werk-Kanons, wie es sie bereits beim Technikwechsel von VHS zur DVD gegeben hat. Kehr sieht allerdings Lösungsansätze im medienträgerfreien Onlinevertrieb, wenn alte TV-Sendebänder und -Filmabtastungen (als Vorlage zur einstigen VHS-Duplizierung) für Streamingformate einer neuen Nutzung zugeführt werden, und somit die Vielzahl der Vertriebsmöglichkeiten den Repertoire-Verlust durch die BluRay-Technik wieder wett machen können. Was natürlich auch ein Treppenwitz ist: Die Verbesserung der direkten Nachfolgetechnik führt zur Verschlechterung des Programmangebots.

Hinzu tritt die Vermutung, dass mehr als fünf Jahre nach der Vorstellung der HD-Silberscheibentechnik wohl keine 10 Jahre mehr (wie einst bei der DVD) zur "Akkulturation" der Technik im Heimmarkt zur Verfügung stehen werden, wenn SONY etwa binnen kurzer Zeit seine neuesten proprietären Scheibenergüsse in inkompatibler Mehrschichten-Speicherungstechnik baldigst vorstellen dürfte –– sofern dann überhaupt noch 'Scheiben' statt 'Chips' zur Anwendung kommen. Siehe dazu auch die gerade erfolgte Ankündung von HDCAM-SR-Speicherchips.

Kehr argumentiert allerdings in eine ähnliche Richtung, wie ich bei meiner Anmerkung zum Thema "Die Fallstricke des Offensichtlichen": Die höheren Auflösungsparameter der digitalen Medien lassen Film nicht nur sprichwörtlich "alt" aussehen; die Frage der Auflösung oder Artefaktfreiheit wurde beim 35-mm-Kinofilm im Jahrhundert seiner Anwendung jedoch nie gestellt, weil die 'Analogen Klassenverhältnisse" einst klar und unanfechtbar waren -- und die 35/70-mm-Kinoprojektion eben unanfechtbar die Königs- und Kaiserliga im damaligen, analogen Medienfeld waren. "Weiße Blitzer" vom Staub auf dem Negativ und sichtbar geworden beim Kopieren auf Positivfilm adelten den Medienträger ein zusätzliches Mal (statt billigem Bewegtbild vom Videomaterial). Dem 35-mm-Kinofilm etwa einen 'Mangel an digitaler Matrix-Auflösungskapazität' zu unterstellen, zeugt von besonders fortgeschrittener, geschichtlicher Umnachtung.

Digitale Unkultur ist gerade beim Präsentieren, Referieren und Referenzieren von Geschichtlichem vor allem eines nicht: hermeneutisch.

ATRIUM

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.