Montag, 13. April 2009

Design oder Nicht-Sein: Filmvorspann-Ausstellung in Berlin

Ostermontag am späten Nachmittag im "KW Institute for Contemporary Art" in Berlin-Mitte bei einer gut besuchten Ausstellung zum "Vorspannkino", im Untertitel der von der Kuratorin Susanne Pfeffer im Untertitel als "54 Titel einer Ausstellung" bezeichneten Exposition zu Gestaltungen des Filmvorspanns in der Filmgeschichte mit Schwerpunkt auf den 60er-Jahren, die aber insgesamt den Zeitraum von den Zwanziger bis zu den Nuller Jahren umgreift.

Die Ausstellung, die noch knapp eine Woche bis zum 19. April geöffnet hat, möchte — so der am Tresen auf Anfrage erhältliche Pressetext — "einen zeitgenössischen Blick auf das Phänomen" der Filmvorspänne und -nachspänne werfen, der als "außergewöhnliche Herausforderung" entstand,"Schrift, Bild und Ton zu verbinden und gleichzeitig in das Thema einzuführen, ohne es bereits vorweg zu nehmen".

Eine eigene Ausstellung zu diesem lange vernachlässigten Teilaspekt der Filmgestaltung in der Historie des Films war daher mehr als zu begrüßen, vor allen Dingen auch unter dem Aspekt, dass Ausstellungen zur Filmgeschichte lange Zeit unter dem Manko der Text- und Chartlastigkeit sowie unter dem mehr als fragwürdigen Aspekt der "Reliquienpräsentation" standen.

Im "KW" waren nun die verschiedenen Galerieräume des "Institute for Contemparary Art" abgedunkelt und zu finster-magischen Kinoräumen mit Beamerprojektion umgerüstet worden. Dabei wurde die große Halle im Erdgeschoss der Auguststr. 69 mit einer kinovergleichbaren Singularprojektion als "Kino 1" eingerichtet, die Galerieräume zweier weiterer Stockwerke waren mit 10 ("Kino 2") bzw. 7 ("Kino 4") Beamer-Wandprojektionen zwei bzw. drei Galeriewände entlang ausgestattet worden, die im Wechsel jeweils einen einzigen Filmvorspann projizieren. "Kino 3" arbeitet mit 11 auf den Raum verteilten Hartschaumplatten, die als frei im Raum gehängte Screens dienen und im Wechsel von Standbild auf Vorspann-Projektion wechseln; in den "Kinos 2 und 4" verbleiben die jeweils nicht-aktiven Bildwände schwarz, bzw. beamer-dunkelgrau. Insgesamt sind also 29 Beamer/Schirm-Einheiten für 47 Filmausschnitte im Einsatz (die auch in dieser Anzahl im Pressetext und im Ausstellungsfaltblatt dokumentiert sind). "Kino 1" bringt als größter Sichtungsraum eine Schleife von 19 Werk-Exzerpten. Es werden unterschiedliche Beamertypten, in der Mehrzahl von Panasonic, eingesetzt; die Projektionsqualität ist als zufriedenstellend zu bezeichnen, Regenbogeneffekte waren auf den Screens nicht zu beobachten; die Tonqualität war in der Regel gut, wenn auch die Schaumstoffplatten auf dem Fußboden in "Kino 4" zwar zu fußtaktilen Erlebnissen jedoch zu verschlechterter statt verbesserter, zu dumpf-dunklerer Akustik führten.

Die Ausstellung arbeitet konsequent ohne Textcharts und Erklärungsschilder; es verbleiben vier dunkle Räume der Kinomagie; das gedruckte Ausstellungsfaltblatt dient mit einer Ablaufprogramm der Saal-1-Schleife sowie mit den Einzelnachweisen für die Multiprojektionen der Räume 2 bis 4. Die Laufzeitangaben der Clips sind im Ausstellungsfaltblatt gedoppelt, als ob man eine Kummulierung der Einzel-Laufzeiten eigentlich geplant hätte und dann doch vergessen hatte, oder aber, als ob die zweite Angabe der Gesamtlaufzeitnennung der referenzierten Werke eigentlich gedient haben sollte (und was erhellend für die Laufzeitrelation von Vorspann zum Gesamtwerk gewesen wäre).

Eine alphabetische Listung nach Namen der "Title Directors" sowie eine alphabetische Listung der referenzierten Filme ist der Presseinformation vorbehalten; einfachen Besuchern wollte man so viel Ballast anscheinend nicht zumuten und sie haben — wie der Kassencounter mir berichtete — in der Regel auch nicht danach verlangt.

Über Biographien, Filmographien und Arbeitsmethoden auch der bedeutendsten Filmvorspann-Designer wie Saul Bass, Maurice Binder und Pablo Ferro erfährt man nichts. Als deutsches Beispiel aus den 1960ern ist 'Hokuspokus' (1966) im Vorspanndesign von Horst Piehler überzeugend; warum man lieber deutsche Trashregisseure wie Buttgereit oder Schlingensief als Repräsentanten des zeitgenössischen deutschen Kinos genommen hat, statt etwa X-Film-Beispiele gegenüber 'Seven' oder 'Twelve Monkeys' (1995) zu vergleichen, darf als Frage angemerkt werden. Wie sich die 54 im Untertitel angekündigten "film titles designs" zu den 47 dokumentierten verhalten, wird nicht vermittelt. In der spärlichen Dokumentation wird etwa auch der Filmvorspann von Welles 'Magnificent Ambersons' (1942) angekündigt, aber lediglich der damalige Film-Trailer wird statt des Filmvorspanns gezeigt. Warum plötzlich auch historisches Trailer-Design mit einbezogen wurde, ist ebenfalls unschlüssig. Ein Katalog zur Ausstellung wurde nicht vorgelegt, ist allerdings nach Aussage der Mitarbeiter vor Ort für Sommer angedacht. Die Ausstellung wurde zu wesentlichen Teilen vom "Hauptstadtkulturfonds" finanziert und als "Kooperationspartner" wird die "Deutsche Kinemathek — Museum für Film und Fernsehen" benannt.

Ich halte es zumindest für riskant, wenn filmhistorische und letztlich auch filmpädagogische Diskursprojekte in die Verantwortung von Galeristen oder Kuratoren der zeitgenössischen Kunst gelegt werden, selbst dann, wenn wie im Falle des 'film titles designs' hier eine Nähe zur Tafelkunst, zum Graphic Design, zur Typographie und zum Produktdesign unleugbar vorhanden ist.

Denn in der Absolutsetzung der Exponate wird leider vergessen, dass das Wichtigste im Kino die besuchende Zuschauer ist.
Er ist Kaiser und König jeder Art von cinematischer Veranstaltung.

Finster-dunkle Galerieräume in Schwarz, bei der sich die Zuschauer durchs Dunkel ihren verspäteten Weg zur bei Multiprojektion stets bereits begonnenen Filmtitelsequenz ertapsend finden müssen, hält zwar auf Trab und ist für Kunstkuratoren mal ein Gag der besonderen Art, führt aber stets zu Verdruss, weil die bei Licht hingesetzte Kinosituation zum Dunkel hin auch das der "titel sequence" adäquate Darstellungsmittel und -medium wäre.

Dem kommt die "Installation" in der Halle, "Kino 1" im "KW" genannt, eigentlich entgegen, wenn nicht gerade ein Besucheransturm die wenigen auf der Empore vorhanden und eng gestellten Klappsitze besetzt hält und man sich so stets fühlt wie ein Zuspätgekommener mit schlechtem Gewissen und noch schlechterer Sicht. Warum schließlich das dargestellte Kunstwerk dort unter sich bleiben soll, der große, eine Etage tiefer liegende, Saal abgesperrt bleiben muss, statt dass man sich dort nach noch bei Licht lesbarem Plan das Gesamtprogramm wie in einem wirklichen Kino nach Lichtdimmung hintereinanderweg auch linear anschauen kann, bleibt mir auch jetzt noch ein Rätsel. Es ist mehr als schade, dass nach der kinolosen Zeit im Filmmuseum hier nunmehr anscheinend das "Kind mit dem Bade" ausgeschüttet wurde. Eine, wenn auch kurze, kommentierende cinematische Präsentation (statt Charts und Schaukästen) hätte hier Wunder gewirkt.

Diese Umstände lehren mich, dass die Didaktik der Film- und Kinogeschichte nicht in die Hände von Galeristen gehört, die auf die möglichst rasant und effektvoll inszenierte Verkaufsattraktion von Exponaten — die im Kunstbereich nach dem Eintreten, Erfahren und Bewerten ja verkauft werden sollen — fixiert bleiben, während Kinomacher ja stets in der gesamten Kinogeschichte auf "Vorkasse" ohne zuvorige Inansichtnahme des Produktes bestanden haben. Insofern waren acht Euro regulärer Eintritt viel Geld für eine halbgare Ausstellung, auch wenn man bei der Eintrittnahme den üblichen Konventionen gefolgt ist.

Es bleibt das Desiderat, nicht nur eine Hommage, sondern eine gut dokumentierte Gesamt-Retrospektive der bedeutendsten Filmvorspann-Designer zu realisieren, vor allen Dingen namentlich eine zu Saul Bass, Maurice Binder und Pablo Ferro. Schade, dass die Mittel des Hauptstadtkulturfonds für dieses explizite Thema damit wahrscheinlich für Berlin erschöpft sein werden.

ATRIUM

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