Der Crash des Kölner Stadtarchivs scheint seit der brennenden Bibliothek in Alexandria weder der erste noch letzte Vorfall zu sein.
Jenseits des Trägermaterials ist aber bekannt, daß redundante Duplikate und Lagerungen an unterschiedlichen Orten oberste Maxime der Archivare sind.
Während mir bei der Filmgütersicherung das rein analoge Verfahren auf Polyestermaterial als einzig sinnvoller Weg ausreichend zu sein scheint (nachdem digitale "Restaurierungen" - nicht zuletzt in der Monographie von Paul Read unterschiedlich klassifiziert - oftmals dem derzeit gängigem, multimedialen Gebrauchs- und Tauschwert folgten, d.h. nicht selten einem niedriger auflösendem Substandard).
Ausserdem würde mit einem Dekret, weiterhin auf filmischem Originalformat zu sichern, auch der authentische kinematographische Produktionsprozess und die Nachlieferung mit Filmmaterial am Leben erhalten werden (und noch ist jene Maxime im Bundesarchiv nicht infrage gestellt worden, während man nach meinem Eindruck im Hause Deutsche Kinemathek bereits von diesem heiligen Gebot abzuweichen scheint).
Das Vorantreiben der Digitalierungen scheint aber im Bibliothekssektor und im Bereich anderer Museen, etwa der Bildenen Künste, von größter Priorität zu sein. Obwohl wir seit einer Dekade in einer voll digitalisierten Gesellschaft leben, ist offenbar gesellschaftlich nicht arrangierbar, daß diese Aufträge ausreichend erfüllt werden könnten. Dabei sollten Kulturwerte auch Gemeinwerte sein, weshalb die Bevölkerung ein Recht auf ihnen zugängliche Digitalisate hat, sofern ihnen die Zugänglichkeit zum Original verweitert wird.
Wünschen wir also dem Kölner Stadtarchiv, daß es rechtzeitig Sicherungsdepots anlegen konnte. Im Moment werden wohl eher Vorwürfe an die Stadt erhoben, die erst einmal zu prüfen wären.
Eine Kinorettung als Bürgerbewegung hatte man sich Ende der 1990er Jahre für Berlin sehnlichst gewünscht. Anders als bei den Bürgerinitiativen etwa für Erhalt des 50er-Jahre-GLORIA-PALASTES am Kurfürstendamm war der Stellenwert alter Kinos, vielleicht auch unter dem eingetretenen Gehörverlust als Folge des PR-Getrommles der Neuheitseffekte der Multiplexe und des Potsdamer Platzes, um 1999 zur Gänze ausgeblendet worden.
Reihenweise schlossen die einstmals kühnsten und besten Filmtheater, ohne das Protest erhoben wurde.
Als wir in den Bauausschüssen und Parteifraktionen einigen Wirbel um die ROYAL PALAST-Schliessung entfachen konnten, wurde klar, daß zuvor für die anderen Häuser sich offenbar kein Bürger-Protest geregt hatte. Erst eine Kampagne der IFB brachte dann den ZOO PALAST in die Gazetten, der ja als Aufbausymbol der westdeutschen Frontstadt gut politisierbar ist.
Rettungen von Kinos kann der kleine Verein "Kinomuseum Berlin e.V" gewiss nicht übernehmen. Und zum Glück stehen die wenigen, mit historischem Ambiente geprägten Häuser im Moment auch nicht zur Disposition.
Sehr wohl aber muss dieser Verein durch kompetente Techniker, Medienpublizisten, Historiker und vor allem durch das Herzblut von Nostalgikern kinematographische Artvielfalten reproduzieren können und das Stadtgedächtnis abschöpfen. Hierfür reichen ggf. kleinere Veranstaltungsräume, die ein Laboratorium zur Simulation kinematographischer Performanzen aufnehmen könnten.
Weiterhin könnte sich - nicht nur in Berlin - unversehends die Herausforderung einer Repolitisierung der Kino- und Versammlungsstätten stellen. Die Vorbilder können in den Avantgardekinos der 1970er Jahre gesehen werden (BaLi, Arsenal, Tali u.a.), und auch heute in den Kinos Eiszeit, fsk, Lichtblick, Nickelodeon, Tilsiter Lichtspiele usf. verortet werden.
Die Agitation in der Öffentlichkeit als Überwindung der Globalisierung folgt dann auch den Regeln und Kommunikationsnetzten der Digitalisierung, die einige Hürden der analogen "Formatdiktatur" in der tradierten, ortsfesten Kinobranche überspringen konnte.
Andererseits wird nun das an der Monopolbildung und an kinematographischen Alleinstellungsmerkmalen gewachsene Spielfilm-, Unterhaltungs- und Repertoirekino durch die Digitalisierung ihre Basis im ortsfesten Filmtheater verlieren, die auch durch die Einigung auf einen vermeintlichen Nachfolgestandard, etwa DCI, m.E. nicht mehr aufzuhalten ist.
Es sind die Produzenten der Traumindustrie selbst, die die ortsfesten Kinotheater schneller zu verlassen scheinen als erwartet: die jüngsten Schlagzeilen aus dem Hause Disney beweisen, dass der Preis für eine Expansion der großen Unterhaltungsfilme in die Segmente der früheren "Ersatzmedien" (Video, Fernsehen - jetzt Internet, DVD und PC) als kommende Premierenplattform notwendig den Untergang von Lichtspielhäusern mit Spielfilm-Grundversorgung nach sich ziehen dürften:
Blickpunkt:Film meldete auch in diesem Sinne:
"Disney-Chef Iger denkt über Film-Abo im Internet nach
Nachdem er 2005 eine Debatte um die Abschaffung der Auswertungsfenster entfacht hatte, hat Disney-Chef Robert Iger jetzt erneut ein heißes Thema..."
Nachdem am Potsdamer Platz die Deutsche Kinemathek massiv ihre Pläne für ein "Fernsehmuseum" (ein Lieblingsprojekt des eigentlich hochverdienten "Arsenal"-Gründers Gero Gandert, der seltsamerweise auch einen "Boulevard des Stars" protegiert) vorantrieb, scheint auch diesem Hause eine innere Zerreißprobe bevorzustehen.
CINERAMA
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.