Montag, 2. März 2009

Die Wahrheit verbirgt sich im Offensichtlichen

Volker Weidermann rezensiert in der FAZ das neue Buch von Nicholson Baker:
„Menschenrauch - Wie der Zweite Weltkrieg begann und die Zivilisation endete“
("Human Smoke: The Beginnings of World War II, the End of Civilization.")

Nicholson Baker ist für uns Medienhistoriker insofern wichtig, als dass er mit "Double Fold: Libraries and the Assault on Paper" ("Der Eckenknick oder wie die Bibliotheken sich an den Büchern versündigen") 2002 sich vehement gegen die Digitalisierung von Zeitungen, Zeitschriften und Büchern und dem anschließendem Nicht-Mehr-Zugänglich-Sein bzw. der Vernichtung der analogen und im Zerfall befindlichen Papieroriginale ausgesprochen hat. Im Übrigen baut Baker mit seinen Lagerhäusern voller alter Zeitungen auf dem Praxismodell von Rick Prelinger auf, der das Gleiche mit 16-mm-Kopien von Industrie- und Lehrfilmen und weiteren "ephemeren Filmwerken" erfolgreich vorgemacht hat (dabei allerdings ein Verfechter der Digitalisierung und Online-Zugänglichmachung ist).

Nicholson Bakers "Menschenrauch" reflektiert nun den "Eckenknick" insofern, als dass man keine Zeitungen als spezifisches Medium mehr lesen und als Quelle des "Offensichtlichen" benutzen kann, wenn man nur noch digitale, zeitungskontextlose Textscans und eben keine originalen, alten Zeitungengebinde mehr als Quelle hat (und auch bald keine neuen mehr, siehe Link in "A Dispatch from Reuters"). Das Offensichtliche kann sich dann nicht mehr zeigen und damit auch keine (historische) Wahrheit mehr.

Zwei wichtige Bücher, als Autor ein eigenständiger Geist und als Sammler und Bewahrer des analogen Erbes ein erstaunlicher Lehrer.

ATRIUM

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