Dienstag, 10. März 2009

Nie für den Mainstream

Zeit-Online brachte gestern, 09.03.2009, um 18:44 Uhr unter dem Titel "Hundert Jahre Eigenheit" eine ausführliche Rezension der Ausstellung zu Manoel de Oliveiras Werk in der Berliner Akademie der Künste:

http://www.zeit.de/online/2009/11/manoel-de-oliveira

Für die Kinogenießer, die Werke von Nestler, Farocki und Straub-Huillet im Kino goutieren, ist natürlich auch Manoel de Oliveiras Filmkunst Teil des europäischen Filmkanons; viel zu wenige seiner Werke sind in Deutschland bekannt und kaum als Konserve verfügbar (und von Fernsehpräsenz - auch die zwischen 2 und 5 h nachts - kann man bei Filmkunst nur noch in den wenigsten Ausnahmefällen sprechen.)

Die Konzeption der Ausstellung in der Berliner AdK, im vergangenen November erstmals in Portugal gezeigt, wurde vom Museum Serralves für zeitgenössische Kunst in Porto durchgeführt. João Fernandes war der Ausstellungskurator.

Kernaussage der Rezension von Iris Rodriguez bei Zeit-Online:

Der Blick schweift durch die große Ausstellungshalle, Projektionen der Filmfragmente laufen simultan. Die Vielfalt von Oliveiras Werk wird sofort deutlich, die Tiefe und Aussagekraft begreift nur, wer sich wirklich darauf einlässt. Oliveira hat einmal über sein Publikum gesagt: "Sie sind es, die einsteigen müssen und sich dem Film nähern müssen", und von dieser Haltung ist auch die Ausstellung geprägt. Sie spiegelt den Charakter der Filme wider, die Oliveira nie für den Mainstream gedreht hat.

Seine Filme waren nie leicht und viele fordern dem Zuschauer durch ihre enorme Überlange einiges ab. "Oliveiras Arbeit hat immer unter dem Unverständnis für die Originalität seiner Filme gelitten", erklärt der Direktor des Serralves Museums. Heute, sagt er, würden sich die Portugiesen über die weltweite Anerkennung ihres Landsmannes freuen, allerdings würden nur wenige seine Arbeit wirklich kennen. Denn nach der Uraufführung blieben Oliveiras Filme nur kurze Zeit in den Kinos.


Dem Veranstaltungsankündigung auf der Website der AdK kann man - neben einem hübschen Foto mit dem Akademie-Präsidenten, dem Staatspräsidenten und den Gregors - auch folgende einführende Aussagen entnehmen:

Ausschnitte aus fünfzig Filmen, die elementaren Themen seines Werkes zu begreifen: Das Spannungsfeld zwischen Dokumentarfilm und Fiktion wird in Die Sinfonie einer Großstadt von Walter Ruttmann (1927) und Der Mann mit der Kamera von Dziga Vertov (1929) gezeigt, die beide von Oliveira als wichtige Referenzen für seine erste Filmarbeit Douro, Faina Fluvial (Harte Arbeit am Fluss Douro, 1931) herangezogen wurden. Im Vergleich finden sich kuriose Übereinstimmungen bei allen drei Filmen: die schnelle und zeitversetzte Montage von Einstellungen und Szenen; die Wiedergabe der Hektik; die Vergegenwärtigung menschlicher Arbeit und des Lebens in der Großstadt. Der Stummfilm über den nordportugiesischen Fluss Douro läuft als einziger Beitrag von de Oliveira in voller Länge in der Ausstellung.
(...)
Eine der vielleicht größten Singularitäten des Werkes Oliveiras besteht in der Autonomie von Wort, Bild, Ton und Musik, die das filmische Verhältnis zwischen Zeit und Bewegung bestimmt, wie am Beispiel von Amor de Perdição (Das Verhängnis der Liebe, 1978) gut zu erkennen ist. Wie Luís Miguel Cintra einen Text von Samuel Beckett in O meu Caso (Mein Fall, 1986) vorliest, ist wohl eines der besten Beispiele dieser Autonomie des Wortes, die in Oliveiras Filmen eine einzigartige Beziehung zwischen Bild und Text schafft. Zwischenmenschliche Beziehungen, insbesondere von Frauen und Männern zeigen sich bei Oliveira stets durch gesellschaftliche Konventionen bedingt.



Diese Informationen machen schon Lust darauf, die Ausstellung sehen zu wollen, auch als Lern-Erfahrung für ein im Aufbau befindliches Kinomuseum Berlin, wie man Werkgeschichte des Kinos in Ausstellungen präsentiert, präsentieren sollte, präsentieren könnte -- oder auch nicht.

Achtung: Was uns die Zeit-Online verschweigt und die Website der AdK verrät, ist die Tatsache, dass die Ausstellung am Hanseatenweg und (gott sei Dank!) nicht am Pariser Platz ihren Ort gefunden hat. Ausstellungsende ist am 29. März 2009.

Die Präsenz der Gregors bei der Ausstellungseröffnung verwundert nicht, konnte man in den 1980er und 1990ern doch den jeweils "vermutlich allerletzten Film" von Manoel de Oliveira jeweils im FORUM DES JUNGEN FILMS sehen. Darüber, warum der Sektionsleiter für "Film- und Medienkunst" in der Akademie der Künste, Hans Helmut Prinzler, nicht auf dem Promi-Eröffnungsfoto zu sehen ist, kann man nur spekulieren. Sonst käme man fast auf die Idee, dass hier einer Rache in seinem zweiten verbliebenen Haus dafür nimmt, dass er "zu früh" aus seinem ersten Haus wegbeordert wurde, während dort nun Hitchcock, Loriot und Wasserwelten als künstlerische Avant-Garde abgefeiert werden.

ATRIUM

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