Montag, 26. November 2012

Zur Legitimationsdebatte des Ö-R-Rundfunksystems in Deutschland

Die Legitimationsdebatte um das Ö-R-Rundfunksystem kommt nach den Insolvenz- und Einstellungs-Ankündigungen bei FR und FTD in Fahrt. Wie der Perlentaucher heute in seiner Blogschau

http://www.perlentaucher.de/feuilletons/2012-11-26.html#a36087

auch eine Verbindung zur Buchveröffentlichung "Die Nimmersatten" herstellt und auf den Beitrag von Peter Littger aus London im VOCER-Blog hinweist:

http://www.vocer.org/de/artikel/do/detail/id/313/ard-zdf-und-wer.html

Inzwischen besteht nach Littger das Ö-R-Rundfunksystem in Deutschland als "großer Systemfehler der Bundesrepublik". Littger weiter:
"Was wir jedenfalls nicht mehr primär benötigen, sind rein öffentlich finanzierte Vertriebsangebote für Fernsehen und Hörfunk. Erst wenn die Debatte über die angemessene zeitgemäße Verwendung von Gebühren neu geführt, wenn alle Gebührenzahler daran teilnehmen und ein neuer Konsens über die kollektive Förderung von Medien erzielt worden ist, die unter Marktbedingungen nicht entstehen können - erst dann hat das öffentlich-rechtliche System die Legitimation erlangt, die in Teilen abhanden gekommen ist und die zu anderen Teilen nie existierte."

Bei diesem Diskurs geht es inzwischen um die Umverteilung zugunsten von "Qualitätsjournalismus" und nicht mehr um die Bestandshaftung für knappe und unbezahlbar teure Rundfunknetz- sowie Rundfunk-Betriebstechnik:
"Es wurde mit Gebühren das knappste und teuerste finanziert, was es damals gab: Frequenzen sowie die Technik, sie zu beschallen. Zunächst nur per Radio, später per Fernsehen. Diese Begründung ist heute obsolet."
Bleibt noch das Argument, durch das Ö-R-Rundfunksystem eine "Meinungspluralität" abseits von Verleger-Märkten mit ihren kommerziellen Interessen aufrecht erhalten zu wollen. Die wird dann zunehmend schwierig zu behaupten, wenn in Durchgriffsmanier auf allen Ö-R-Radio- und Fernsehkanälen von ARD und ZDF mehr oder weniger gleichzeitig und - wichtiger noch - kontinuierlich als Kampagne zum Thema "Pro-Organspende" publiziert wird (als Reflexhandlung zu Skandalen, mehr als fragwürdiger Gesellschaftspolitik und untermauert als Gutmenschentum) und auf allen Radio- und Fernsehkanälen der ARD mehr als sieben Tage lang (inkl. Vorankündigungen) die "Segnungen von Sterbehilfe" mit christlicher Dominanz der Seelenklärung kampagnenartig angedient wird. Einem Borbardement von redaktionellem Durchgriff auf's Gemüt, die ich mehr als belästigend empfand. Ich habe im Übrigen weder einen Hindu noch einen Buddhisten medial gesehen oder gehört, der seine Meinung im Rahmen von "Meinungspluralität" zum Thema "Pro-Organspende" und "Segnungen von Sterbehilfe" dabei hätte mitteilen können. Der Begriff der "Gleichschaltung" ist historisch zu belastet, als dass man ihn hier produktiv einsetzen könnte. Aber eine "Gleichrichtung" der redaktionellen Inhalte ist allemal erkennbar und das immer öfter.

Diese Durchgriffsmanier bei sogenannten "Themenwochen", den sendeformatierten wie den informellen, verträgt sich meiner Ansicht nach sehr wenig mit dem letzten noch verbliebenen Argument einer "Meinungspluralität", die für die weitere Aufrechterhaltung des Ö-R-Rundfunksystems noch gesprochen hätte.

Es geht mittlerweile also nicht mehr darum, ob man den Ö-R-Rundfunk in Deutschland abschalten soll und er statt dessen lieber Ö-R-Suchmaschinen redaktionell betreiben sollte; es geht inzwischen bei der Legitimationsdebatte um viel mehr.