Dienstag, 6. März 2012

KODAK im US-Insolvenzverfahren nach Chapter-11


SPIEGEL ONLINE INTERNATIONAL brachte anlässlich des laufenden Insolvenzverfahrens von KODAK in den USA einen längeren Hintergrundartikel zur Eastman-Kodak-Geschichte und "wie es soweit kommen konnte" in englischer Übersetzung:

http://www.spiegel.de/international/business/0,1518,815488,00.html

Für die Freunde des sarkastischen Humors und als Antwort auf Perez' Unternehmensstrategie "The Future is Printing" hier der Link zu einem Originalbeitrag aus "The Onion", zu deutsch: 'Die Zwiebel', bereits vom 25.08.2011:

http://www.theonion.com/articles/new-apple-ceo-tim-cook-im-thinking-printers,21207/

Das große wenn nicht größte Problem ist das neue idelle Image, dass sich Kodak als 'Company of the Future' geben muss, damit die neue Corporate Idendity stimmt. Selbst wenn der Kinefilm-Bereich noch profitabel läuft, er wird so immer mehr zum historischen Ballast, wenn dieser Unternehmensteil KODAK weiterhin mit einer Kern-Technik des 20. Jahrhunderts "infiziert", bzw. die Company nach Außen vor allem mit diesem alten Produktbereich identifiziert wird.

Das Sinnvollste, das man in solch' einer Situation tun kann (vgl. 'Citybank', die aus Imagegründen zur 'Targo-Bank' umbenannt wurde), ist i.d.R. Outsourcing, am Besten ein Management-Buyout der Bescheidwisser auf ihrem Fachmarkt mit Fremdinvestorenkapital. Dann bleibt aber das Problem mit der Marke, weil man schlecht Kodak-Kinefilme ohne Kodak-Logo verkaufen wird können, wenn Kodak aus obigen Gründen ggf. einmal nichts mehr mit "Film" zu tun haben möchte – aber sich natürlich auch nicht vom Brand trennen möchte, weil der das Allerwertvollste am Ganzen ist und den Nimbus für die Zukunft hergeben soll, solange man am "Imaging" festhalten möchte. Fuji – als Gegenbeispiel – hatte sich hingegen mit ihrem Chemie-Know-How dazu entschieden, sich in Richtung "Kosmetik" auszurichten. Kodak setzte weiterhin auf eine Identität als "Imaging"-Unternehmen, wie der SPIEGEL-Beitrag gut darstellt.

Ob die geniale Idee mit den Ink-Jet-Home-Druckern letztlich funktioniert, darf bezweifelt werden, da sich auf diesem Gebiet jede Menge Konkurrenz tummelt, Kodak nicht der Erste war und weithin kein Alleinstellungsmerkmal besitzt; die Idee mit den teuren Druckern und der billigeren Tinte funktioniert mehr schlecht als recht, weil es genug billige Tinte für teure Drucksysteme gibt. D.h., diese Strategie war wohl zu kurz gedacht.

Wertet man die US-amerikanische Presse (WSJ, NYT, Fachforen etc.) aus, dann war der Eintritt in das  Chapter-11-Verfahren eigentlich darauf gezielt, das wertvolle Patent-Konvolut von Kodak für den teuerst erzielbaren Preis unter Nachfrager zu bringen, ohne dies der Gefahr von Regressansprüchen seitens von Aktionären auszusetzen. Diesem geplanten Patent-Verkauf setzt allerdings zur Zeit, nach dem, was man lesen kann, die Klagefreudigkeit von APPLE Inc. zu.

Das US-amerikanische Insolvenzverfahren nach Chapter-11 scheint für die Abwendung von Regressansprüchen seitens der Aktionäre gegenüber einem Abverkauf von "Intellectual Property" als nachhaltiger Substanzverkauf einen wirklichen Schutz zu bieten. Ob allerdings noch etwas von Kodak substanziell übrig bleiben wird, wenn die Patente denn dann erst verkauft sind, darf wiederum bezweifelt werden, jedenfalls ist auch ein 20.000-Mann-Unternehmen nicht mit einem recht windigen Geschäftsmodell im Ink-Jet-Bereich zu retten, zumal wir jetzt von Displays im Bereich von 260 dpi+ ausgehen können, die langsam im Alltagsgebrauch ubiquitär werden (vgl. iPad3 ab 7.3.12). Warum noch schöne, farbige und dennoch teure Ink-Jet-Ausdrucke, wo man einfach ein Tablet als Display hinstellen kann? – Zur dritten Mal beweist die oben zitierte "ONION"-Satire vom August 2011 ihre prophetische Kraft.

Ob das Massengeschäft im Kinefilmbereich noch lange so profitabel und daher wirtschaftlich nachhaltig auch weiterhin bleiben wird, wenn in den USA und anderen Major Markets der 35-mm-Kinokopie-Printbereich mehr oder weniger (ab Ende 2012 durch die Digitalisierung der Kinoprojektion) zunehmend wegfällt, ist die nächste Frage. Und ob man für Archive den sw-Bereich inkl. sw-Mikrofilm sowie für einige Nostalgiker unter den DOPs den Farbnegativbereich im Kinefilm-Segment aufrecht erhalten können wird, darf dann vielleicht die Outsource-Division, auf die es hinauslaufen könnte, solange Kinefilm noch profitabel ist, selbst herausfinden.

In der Außensicht scheint die Situation ziemlich verfahren zu sein. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt der physischen Medienwahl für Langzeitarchivierung, nachdem Kodak neben Kodachrome (2010) nun auch den Ektachrome-Diafilm-Bereich einstellt:

http://www.kodak.com/global/de/professional/products/colorReversalIndex.jhtml?pq-path=1229

Welcher Filmproduzent wird noch auf Kinefilm drehen wollen, wenn die Belieferung einer Gesamtmenge zunehmend unsicher wird? – Wie kann man noch auf silberbasierten Medien eine Langzeitarchivierung aufbauen, wenn es für bestimmte Produktsegmente keine mittelfristige Liefersicherheit mehr geben sollte und man es zunehmend mit Spezial-Einzelanbietern zu tun haben wird, die die Konditionen diktieren können? – Andererseits: Die Flut in Thailand hat gezeigt, was im Bereich der Datenspeicher passieren kann, wenn Oligopole durch regionale Wetterphänomene komplett durcheinander gewirbelt werden, so dass es weltweite Implikationen für den Nachschub an Datenspeicher-Modulen (heute noch Magnet-Festplatten) erzeugt. Noch eine regionale Überschwemmungswelle oder ein sonstiges Unglück (Flash, EMP, Iran etc.) an der falschen Stelle und noch ein Filmmaterial-Hersteller, der nicht mehr kann, und wir stehen komplett ohne kulturelle Speichermöglichkeit dar. Dieses Bild des Übergangs hat sich mir in den letzten Montaten sensuell und kongnitiv eingebrannt.

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