Dienstag, 21. April 2009

Helmut Lehnert, Radio Multikulti und der Pensionslückenfonds

Bereits Ende März vermeldete die Pressestelle des RBB, dass Helmut Lehnert zum 1. Mai den Sender verlassen werde.
Hier der Wortlaut der RBB-Presseinformation Nr. 037/2009 vom 24.03.2009:

Nach 32 Jahren im SFB, ORB und rbb verlässt der Unterhaltungschef des rbb Fernsehens, Helmut Lehnert (58), zum 1. Mai 2009 den Sender. Helmut Lehnert: „Über einen längeren Zeitraum habe ich erkennen müssen, dass auch meine Energien endlich sind. Deswegen habe ich die Intendantin gebeten, mich von meinen Aufgaben zu entbinden. Nach mehr als dreißig Jahren in der Medienwelt werde ich mich jetzt weitgehend daraus zurückziehen.“ rbb-Intendantin Dagmar Reim: „Es fällt mir schwer, mir den rbb ohne Helmut Lehnert vorzustellen. Seine Kreativität, seine Programmfantasie, sein herausragendes Gespür für Talente werden wir schmerzlich vermissen. Wir würden gern weiter mit ihm arbeiten. Allerdings haben wir zu akzeptieren, dass sein Weg nun ein anderer ist. Wir verdanken ihm viel und wünschen ihm das Beste.“
rbb-Fernsehdirektorin Dr. Claudia Nothelle: „Helmut Lehnert hat angeboten, dem rbb weiterhin mit seinen Ideen und seiner Erfahrung zur Verfügung zu stehen. Das freut uns sehr. Die Verbindung zwischen ihm und uns wird nicht abreißen.“
Helmut Lehnert, 1950 in Marburg/Lahn geboren, arbeitet seit 32 Jahren für den rbb und seine Vorgängersender SFB und ORB. 1977 begann er als Moderator der Musiksendung s-f-beat. Danach übernahm er die Leitung der Musikredaktion von SFB 2, später wurde er Chef der Rockwelle Radio 4 U. Er gründete und leitete 1993 das Jugendprogramm Fritz und 1997 Radioeins („Nur für Erwachsene“) - Gemeinschaftsprogramme von SFB und ORB, die heute das Radioangebot des rbb prägen und in der deutschen Radiolandschaft einmalig sind. 2005 wechselte Lehnert vom Radio zum Fernsehen und übernahm die Leitung des Programmbereichs Film und Unterhaltung. Er entwickelte so populäre Formate wie „KRÖMER – Die internationale Show“, „THADEUSZ“, „Berliner Nacht-Taxe“ und „Feinkost“.


Bekanntlich wurde die Abschaltung der Radiowelle "Radio Multikulti" zum 31.12.2008 damit begründet, dass dem RBB in der nun laufenden Gebührenperiode 2009 54 Millionen Euro im Haushalt fehlen. Über die Gründe berichtete Frau Dr. Ulrike Liedtke, die damalige Vorsitzende des RBB-Runfunkrates, wonach "der RBB ist unverschuldet in Not geraten" sei. "Er leidet unter Gebührenausfällen und darunter, dass die Rundfunkgebühren ungerecht verteilt werden." (Quelle des Zitats: DWDL.de) In einigen anderen Pressemeldungen machte das hässliche Argument die Runde, dass zu viele Empfänger von Transferleistungen, also Sozialhilfeempfänger, die Zahlung von Rundfunkgebühren verweigern würden, was zu den "Gebührenausfällen" geführt habe, die nun die Einstellung einer Radiowelle zur Folge gehabt hätte.

Am 17.04.2009 konnte man bei der FTD unter ftd.de nachlesen, dass die ÖR-Anstalten wie MDR und SWR sich am Kapitalmarkt bei ihren Pensionsfondrückstellungen für künftige Pensionsansprüche verspekuliert hätten.

Ich bin mir ziemlich sicher, ohne bislang genauen Einblick in die Haushaltsbudgets zum Beispiel des RBB genommen zu haben, dass hier bei den Pensionsansprüchen — und nicht bei den Transferempfänger-Gebührenausfällen — der eigentliche Kern für zunehmende Klammheit der Haushalte von ÖR-Anstalten zu suchen ist. Ich würde dies ein vorgeschobenes Argument nennen.

Aufgefallen ist mir dies bei meiner Pressebetreuung für das Globians Doc Fest im Hause des RBB, als ich mal die schwarzen Bretter und Aushänge der Personalvertretung, Gewerkschaft etc. studierte und zufällig einen — wie mir scheint — fürs Haus typischen Fall vorfand, wonach in einem Nachruf darauf hingewiesen wurden, dass der verstorbene ehemalige Mitarbeiter des Hauses SFB in der Expansionsphase Anfang der 1970er-Jahre eingestellt wurde und zum Ende der 1980er-Jahre mit Anfang Fünfzig in den Vorruhestand verabschiedet wurde. Wie mir scheint, eine nicht ganz untypische Berufslaufbahn, über die im Hause RBB weitaus weniger gern geredet wird als über Gebührenausfälle von Hartz4-Empfängern.

Helmut Lehnert ist sein Abschied und goldener Handschlag für seine Verdienste seit 1977 für die Berliner Radioszene zu gönnen, auch wenn Radio Brandenburg der bessere Sender und die bessere Redaktion war; die Verabschiedung von Helmut Lehnert sollte allerdings nicht von einer weitaus tiefgründigeren Dynamik im Finanzjonglismus ablenken, die große Strukturen in Krisenzeiten unter ausbleibendem Wachstum binnen Tagen zu Fall bringen kann, gerade dann, wenn die tragende Struktur bereits übermorsch geworden ist.

ATRIUM

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