Montag, 2. März 2009

A Dispatch from Reuters

Es lohnt sich neuerdings seit ein paar Monaten, seinen Lebensrhythmus komplett umzustellen: denn Nachts zwischen 2 und 4 Uhr kommen alte Filme im Ersten Deutschen Fernsehen, jene Spielfilme, die nicht nur den an Filmgeschichte interessierten Zuschauern seit ungefähr 25 Jahren nicht nur tagsüber im Fernsehprogramm vorenthalten werden, sondern die zudem bislang nicht auf Silberscheibe käuflich zu erwerben sind.

Heute Nacht zwischen 2 und 4 Uhr gab es "A Dispatch from Reuters" aus dem Jahre 1940 zu sehen -- und dieses "Biopic" von William Dieterle (*1893 - †1972) über den Nachrichtenpionier Paul Julius Reuter mit Edward G. Robinson in der Hauptrolle hat es wirklich in sich. Es dürfte nämlich äußerst selten sein, dass ein 69 Jahre alter Spielfilm über die Anfänge der elektrischen Nachrichtenübermittlung auch heute noch Relevanz hat: Denn noch vor der Meinungsfreiheit, dem höchsten Gut einer freien Gesellschaft, stand für Julius Reuter der Grundsatz von Freiheit und Gleichheit des Zugangs zu immer schneller werdenden Nachrichten. Zentrale Aussage von Reuter: "Nachrichten gehören allen!" - Internet-Nachtigall ick hör Dir twittern! Gerade bei verschiedenen Meldungen des heutigen Tages wie diesen HIER und HIER und HIER zeigt "A Dispatch from Reuters" auch heute noch eine vor 69 Jahren nicht vorhersehbare Brisanz. Reuter war wirklich "Ein Mann mit Phantasie", so der dt. Fernsehtitel von 1963. Was die Filmerzählung verschweigt, ist der Grund für Reuters Haltung: seine erzwungene Emigration aus dem Berlin seiner Reuter-Stargardter Buchhandlung nach Paris/Brüssel aufgrund der gescheiterten bürgerlichen Revolution von 1848.

1940 war für Warner Bros. immer noch die Zeit, als dass man einem US-amerikanischen Publikum "gute Deutsche", wie den 1816 in Kassel geborenen Israel Beer Josaphat unter späteren Baron Freiherr von Reuter, zumuten konnte, gegen das immer stärker herannahende Bellen und Beißen der Inbrünstigen. MIt dem Wechsel Reuters zur britischen Staatsbürgerschaft 1857 fiel dies natürlich leichter. Dabei ist "A Dispatch from Reuter" neben "Dr. Ehrlich's Magic Bullet" (dt. Titel von 1965: "Paul Ehrlich – Ein Leben für die Forschung") die zweite Produktion des Triumvirats von Warner, Dieterle und Robinson aus dem Kriegsjahr 1940, nachdem Dieterle 1939 "The Hunchback of Notre Dame" fertig gestellt hatte.

"A Dispatch from Reuters" liest sich in heutiger Perspektive trotz Papierraschelns des Drehbuchs aus der frühen Dramaturgieepoche des Tonfims wie eine "Betriebsanleitung" für das Entstehen des Internets: Von der "Taubenpost" eines Douglas Carl Engelbart im Jahre 1969 bis zur Verdrahtung der digitalen Welt als Hardware und den dann benötigten Visionären, Waghalsigen, Risikokapitalgebern und Hasardeuren, diese Drähte auch mit sinnvollen Inhalten zu füllen.

Ein Geniestreich von einem Filmwerk.

Den Original-Trailer von "A Dispatch from Reuters" kann man sich als Flahvideo bei TCM-USA anschauen.

Schreiben Sie eine Petition an Herrn Herres von der ARD, er möge das Fernsehprogramm vom Kopf auf die Beine stellen!
Und schreiben Sie eine Petition an TCM/Warner, sie mögen uns hier in Deutschland auch mit jenen Filmen bei "TCM Deutschland" beglücken, die sie in den USA auf der Pfanne haben.


ATRIUM


(Foto-Credit: Warner Bros/TCM, Quellen: en.wiki, de.wiki, imdb.com, ARD)

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